Desintegriert euch

/ 2018

Max Czollek schreibt an gegen das in Deutschland immer weiter nach rechts driftende Klima. Er schreibt aus einer jüdischen Perspektive gegen die Vereinnahmung der Opfer der Shoah durch die Täter*innen und deren Nachkommen, gegen ritualisiertes Gedenken, das oft vor allem den Täter*innen und ihren Nachkommen nützt. »Desintegriert euch!« geht dem Bild auf den Grund, das die BRD von sich selbst entwirft: Das der geläuterten Nation, die gelernt, entschädigt und gutgemacht hat. Er hält dem entgegen, dass nichts wieder je gut sein kann nach Auschwitz. Max Czollek bleibt unversöhnlich und will Rache, sei es auch nur literarisch.

Der Autor schreibt an gegen die »endlich wieder wer sein können«-Rufe auf der Straße bei Sportereignissen, gegen Integrationszwang, Leitkulturgerede und ein nationales Selbstverständnis, das sich anmaßt, Zugehörigkeit anhand völkischer Vorstellungen bestimmen zu wollen.

 

Warum lesen?

Das Buch ist der Aufruf sich zusammenzuschließen und Bündnisse gegen den weiß-deutschen Mainstream zu knüpfen, sich die Erinnerung, die Geschichte und das Gedenken zurückzuholen und diesen nicht den Täter*innen zu überlassen.

Auf der Liste: Lieblingsbücher – Kritische Literatur muss nicht kompliziert sein!

Eure Heimat ist unser Albtraum

/ 2019

Heimat finden, Heimat haben, heimatlos sein, viele Schriftsteller*innen haben sich schon mit Heimat beschäftigt. Welche Vorstellungen haben wir von Heimat und wer ist eigentlich wir?

Das Buch »Eure Heimat ist unser Albtraum« ist der Widerstand derjenigen, die vom Konzept der Heimat ausgeschlossen werden – und so lautet auch die Widmung der Autor*innen: »Für Uns«. Es beginnt mit einer Einordnung der aktuellen Erweckung des Heimatbegriffs und der damit verbundenen Gefühle und Annahmen. Weiter geht es mit Alltagssituationen, in denen auffällt, dass anscheinend selbstverständlich Menschen davon ausgeschlossen sind, mitgedacht und gemeint zu werden. Die Schlüsse, die die Texte zulassen, sind eindeutig: Die Vorstellung des bundesdeutschen »Wir« ist immer noch vor allem an rassistische Kriterien geknüpft: Aussehen, Sprache, Religion.

 

Warum lesen?

Fatma Aydemir, Max Czollek, Sharon Dodua Otoo, Margarete Stokowski und acht weitere Autor*innen schreiben von Sichtbarkeit, von Arbeit und deren Wert, sie schreiben über Sprache, Blicke, Zuhause und Gegenwartsbewältigung. Es wird deutlich, dass Heimat immer völkisch gedacht und rassistisch genutzt wird – von Nationalist*innen wie von vielen Menschen, die sich für neutral halten und meinen, eine vermeintliche »Mitte« zu repräsentieren.

Auf der Liste: Lieblingsbücher – Kritische Literatur muss nicht kompliziert sein!

The Dew Breaker

/ 2004

Edwidge Danticat, die Autorin von „The Dew Breaker“, lebt selbst bereits seit langer Zeit nicht mehr in Haiti, trotzdem zeugen viele ihrer Texte von der Präsenz der haitianischen Kultur und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Landes. Diese Beobachtung trifft auch auf „The Dew Breaker“ zu, dessen Titel nicht nur auf den Klassiker von Jacques Roumain Der Herr über dem Tau anspielt, sondern auch bereits auf die zentrale Figur des Romans: einen ehemaligen Folterer während des Duvalier-Regimes. Um diese Figur und daran geknüpft um die psychischen und physischen Spuren der Diktatur, kreist Danticats Roman, der aus neun Erzählungen besteht. Jede dieser Erzählungen wendet sich einer anderen Figur und deren Geschichte zu, gemeinsam ist ihnen, dass sie alle durch die Erfahrungen der Diktatur bzw. der Bekanntschaft mit dem „dew breaker“ in Beziehung zueinanderstehen. mehr

Warum lesen?

Weil der Roman sich der Frage politischer Gewalt aus verschiedenen Richtungen nähert, ohne den Lesenden den Gefallen zu tun, die Schuldigen Monster sein zu lassen. Dabei zeigt Danticat zugleich wie tief und manchmal unerwartet sich politische Systeme in die intimsten Beziehungen einschreiben.

 

 

Auf der Liste: Politische Literatur aus Haiti

Deutsche und englische Übersetzungen ausgewählter haititanischer Erzähltexte