Eure Heimat ist unser Albtraum

/ 2019

Heimat finden, Heimat haben, heimatlos sein, viele Schriftsteller*innen haben sich schon mit Heimat beschäftigt. Welche Vorstellungen haben wir von Heimat und wer ist eigentlich wir?

Das Buch »Eure Heimat ist unser Albtraum« ist der Widerstand derjenigen, die vom Konzept der Heimat ausgeschlossen werden – und so lautet auch die Widmung der Autor*innen: »Für Uns«. Es beginnt mit einer Einordnung der aktuellen Erweckung des Heimatbegriffs und der damit verbundenen Gefühle und Annahmen. Weiter geht es mit Alltagssituationen, in denen auffällt, dass anscheinend selbstverständlich Menschen davon ausgeschlossen sind, mitgedacht und gemeint zu werden. Die Schlüsse, die die Texte zulassen, sind eindeutig: Die Vorstellung des bundesdeutschen »Wir« ist immer noch vor allem an rassistische Kriterien geknüpft: Aussehen, Sprache, Religion.

 

Warum lesen?

Fatma Aydemir, Max Czollek, Sharon Dodua Otoo, Margarete Stokowski und acht weitere Autor*innen schreiben von Sichtbarkeit, von Arbeit und deren Wert, sie schreiben über Sprache, Blicke, Zuhause und Gegenwartsbewältigung. Es wird deutlich, dass Heimat immer völkisch gedacht und rassistisch genutzt wird – von Nationalist*innen wie von vielen Menschen, die sich für neutral halten und meinen, eine vermeintliche »Mitte« zu repräsentieren.

Auf der Liste: Lieblingsbücher – Kritische Literatur muss nicht kompliziert sein!

Am Anfang war der Beutel

/ 2021

Immer wieder wurde mir in den letzten beiden Jahren der Name der amerikanischen Science-Fiction-Autorin, Lyrikerin, Prosaautorin und wunderbaren Essayistin zugetragen. Sie gilt mittlerweile nicht nur bei transversalen Denker*innen neben Donna Haraway und Anna Loewenhaupt Tsing als Theoretikerin des Anthropozäns. Ihr Text über die »Tragetaschentheorie des Erzählens« ist eine Aufforderung an uns, auch literarisch andere Wege zu gehen als die des Jagens, Eroberns und Unterwerfens, es ist eine Vorahnung darauf, wie anders auch die Literatur werden muss, will sie nicht Teil des Problems bleiben, das uns in Form von einer multiplen Krise umgibt. Und dazu gilt es, wie so oft, nicht in die Zukunft zu blicken, sondern in die Vorvergangenheit, die uns mehr Optionen bieten kann als wir uns vorstellen mögen. Es ist das Buch zur degrowth-Stunde. Es ist die Abkehr vom Wachstumsimperativ und die ist möglich, wenn wir anfangen, sie zu denken.

Auf der Liste: Kein Vorwärtsgang

Die schöne Menschenliebe

/ 2011
La belle amour humaine

Mit diesem Roman, der ein Jahr nach dem Erdbeben von 2010 erschien, entspannt Trouillot einen Dialog zwischen Thomas, einem haitianischen Touristenguide und Anaise, einer jungen Frau aus einem Land des globalen Nordens, die in Anse-à-Foleur einem kleinen Küstendorf auf der Suche nach den Spuren ihres verstorbenen Vaters ist. Doch die Begegnung zwischen Anaise und Thomas entwickelt sich weg von einer Identitätssuche und der Frage, wie es zu dem Tod von Anaise verhassten Großvater Robert Montès vor mehreren Jahren kam, hin zu einer Reflexion über das gelingende Zusammenleben und das gute Leben, angesichts omnipräsenter Macht- und Ungleichheitsverhältnisse. Auf diese Fragen scheinen die Bewohner:innen von Anse-à-Foleur eine Antwort gefunden zu haben: Die Schöne Menschenliebe! mehr

Warum lesen:

Weil in diesem Roman sozialistische Tendenzen, ein radikaler Humanismus, Kritik globaler und lokaler (kapitalistischer) Verhältnisse, kreyole Ausdrucksformen und Kunst als widerständige Kraft in dem Entwurf einer konvivialen Utopie, zusammenkommen. Dabei gibt der Text seine Komplexität nicht sofort preis, sondern bewahrt sich einen Teil seiner Leichtigkeit und seines Humors.

 

Auf der Liste: Politische Literatur aus Haiti

Deutsche und englische Übersetzungen ausgewählter haititanischer Erzähltexte