Literatur am historischen Ort
Das Literaturforum im Brecht-Haus ist ein Literaturhaus mit vielfältigem Veranstaltungsprogramm, bestehend aus Lesungen, Buchvorstellungen, Gesprächen, Konferenzen, Diskussionen, Filmvorführungen und weiteren Aktivitäten. Der moderne Veranstaltungssaal im Erdgeschoss des Vorderhauses – ehemals ein Ladenraum – bietet rund einhundert Besuchern Platz. Der Raum öffnet sich mit seiner breiten Fensterfront zur Chausseestraße, so dass der historische Ort mit der Urbanität der Gegenwart in Dialog tritt.
Ursprünge
Hervorgegangen ist das Literaturforum im Brecht-Haus aus dem 1978 von Werner Hecht gegründeten Brecht-Zentrum der DDR, das der Theaterabteilung des Ministeriums für Kultur unterstellt war. Es sah seine Aufgabe darin, in Vorträgen, Workshops und regelmäßigen Veranstaltungen breiten Bevölkerungsschichten Zugang zu Brechts Schaffen zu ermöglichen und Interessierten und Spezialisten die Möglichkeit zum Austausch zu geben. Teil dieses Veranstaltungsbetriebs waren die jährlich stattfindenden Brecht-Tage im Februar.
Neben Veranstaltungen speziell zu Brecht und zum Theater gab es Vorträge zu grundsätzlicheren ästhetischen Themen und Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen philosophischen, kulturellen oder literarischen Problemen. Nicht zuletzt traten Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf, die sich – wie Volker Braun, Karl Mickel, Heiner Müller, Christa Wolf und andere – in der Tradition Brechts verstanden. Filmemacher wie Conrad Weiß, Roland Steiner und Walther Petri haben hier durch die Zensur betroffene Filme vorgeführt.
Als eigenes Informations- und Mitteilungsblatt gab das Brecht-Zentrum die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift „notate“ heraus, die nicht nur über die Arbeitsweise der Einrichtung informierte, sondern sich zu einem Spezialorgan in Sachen Brecht entwickelte und beispielsweise über die internationale Brecht-Forschung und Theateraufführungen der Stücke Brechts informierte. Neben den Protokollbänden zu den jährlich stattfindenden Brecht-Tagen wurde die Schriftenreihe „Brecht-Studien“ herausgegeben, in der größere wissenschaftliche Arbeiten zu Brecht, publiziert wurden.
Wende und Erneuerung
Nach der politischen Wende 1989 beendete das Brecht-Zentrum der DDR seine bisherige Tätigkeit und führte sie zunächst als BrechtZentrumBerlin weiter. Obwohl das Brecht-Zentrum als ein für DDR-Verhältnisse verhältnismäßig offener Ort gelten kann, war er ab 1989 wie andere Kultureinrichtungen der DDR von der Schließung bedroht. Eine Rettung fand sich nicht zuletzt dank der internationalen Bekanntheit der Einrichtung. So wurde aus dem Brecht-Zentrum ein reguläres Literaturhaus – an denkbar prominenter Stätte in der Mitte Berlins. In einem ersten Schritt kam das Brecht-Zentrum unter die Obhut des Kultursenats. Nach dieser Übergangszeit erhielt die Einrichtung, wie die anderen Literaturhäuser Berlins, einen eigenen Trägerverein, die 1991 u. a. durch Volker Braun und Heiner Müller neu gegründete „Gesellschaft für Sinn und Form“, die Zuwendungen des Berliner Senats erhält. Mit der Neuaufstellung als Literaturhaus verschoben sich Konzeption und Arbeitsweise: Die Beschäftigung mit dem Werk Brechts blieb zwar weiterhin wichtiger Bestandteil der Arbeit, jedoch nicht der einzige. Stattdessen wurde unter der neuen Leitung von Inge Gellert, die 1990 die Nachfolge Werner Hechts antrat, unter dem Motto „Von Brecht aus – mit ihm weiter“ ein Konzept entwickelt, innerhalb dessen Denkansätze und Methoden Brechts aufgegriffen, aber mit gegenwärtigen ästhetischen, gesellschaftlichen und politischen Debatten in Beziehung gesetzt wurden. Die zeitgenössische deutschsprachige und internationale Literatur rückte, unter Einbeziehung anderer Künste, ins Zentrum der Arbeit. Neben klassischen Autorenlesungen z.B. von Volker Braun, Christa Wolf, Heiner Müller u. v. a. wurden Veranstaltungen und Programmreihen initiiert, in denen Literaturwissenschaftler und Zeitzeugen der jüngeren Geschichte oder auch junge Autorinnen und Autoren zu Wort kamen. Hinzu kamen Ausstellungen, Environments, Theaterworkshops, Konzerte und weitere Veranstaltungsformen, mit denen sich das Haus gegenüber anderen Künsten öffnete.
Literaturforum im Brecht-Haus
Zu einer erneuten Umbenennung der Einrichtung kam es, nachdem die Brecht-Erben dem BrechtZentrumBerlin 1992 untersagt hatten, weiterhin den Namen Brecht zu führen, da sie ihre Interessen an einer ordnungsgemäßen Verwertung des Brecht-Namens nicht gewahrt sahen. Fortan führte das Literaturhaus den Namen „Literaturforum im Brecht-Haus“. Unter dem neuen Namen wurde das Haus in der Folgezeit bundesweit bekannt und konnte sich als zentrale Stätte deutschsprachiger Literatur etablieren. Im Jahr 1998 übernahm Therese Hörnigk die Leitung der Einrichtung. Ihre Nachfolge trat 2008 Ursula Vogel an. Seit 2021 ist Christian Hippe Leiter des Literaturforums im Brecht-Haus (zuvor kommissarisch ab 2019).