Fegefeuer in Ingolstadt

/ 1926

Fleißers erstes Drama, uraufgeführt 1926 im Deutschen Theater Berlin, sollte ursprünglich »Die Fußwaschung« heißen und das hätte auch gut gepasst für dieses Stück, das, so die Autorin, aus dem »Zusammenprall meiner katholischen Klostererziehung und meiner Begegnung mit Feuchtwanger und den Werken Brechts« entstand. Es geht um eine Gruppe junger Gymnasiasten; Bausteine des Dramas sind: Liebe und Verachtung, eine Engelmacherin und eine Engelsanrufung, Gestank und Wässerungen, Selbstmordversuche und eingestochene Hundeaugen. Nicht zu vergessen: die unheimlichen Figuren Protasius und Gervasius, von denen niemand weiß, ob sie in den imaginierten Himmel oder das erlebte Fegefeuer gehören.

 

Warum lesen?

Erkenntnisgewinn: Fleißer nannte »Fegefeuer« ein Stück über das »Rudelgesetz« – wer wissen möchte, wie dieses unter Menschen funktioniert, lernt hier die Regeln kennen.

Auf der Liste: Marieluise-Fleißer-Leseliste

Die Perlmutterfarbe. Ein Kinderroman für fast alle Leute

/ 1937/1995

Der allegorisch erzählte Schulroman hat selbst eine im Vorwort präsentierte Fluchtgeschichte. “Josef, dem edlen Schmuggler” ist das Buch gewidmet, der 1939 zunächst die Autorin und einige Wochen später ihr Manuskript aus der von den Deutschen besetzten Tschechei nach Polen schleuste. Der in Wien situierte Roman erzählt sozialpsychologisch fundiert von der Entstehung einer Feindschaft zwischen zwei Parallelklassen einer Schule und deren finaler Auflösung. Die Ereignisse werden durch einen neuen Mitschüler ins Rollen gebracht, der sich eine Machtposition in der Klasse sichern will. Wie Nachbarn plötzlich zu Feinden werden und wie diese Prozesse den einzelnen Menschen in Mitleidenschaft ziehen, ihn korrumpieren und welche persönlichen und sozialen Möglichkeiten zur Konfliktlösung es geben kann, zeigt Jokl in einem spannend erzählten Soziogramm. Die Verbindung von historischer Situiertheit (s. Vorwort) und allegorischer Erzählweise (die Ereignisse könnten jederzeit überall stattfinden) macht den Text besonders empfehlenswert mehr

Warum lesen?

Wer auf der Suche nach einer differenzierten und zugleich spannend erzählten Alternative zu “Die Welle” ist, greife zu diesem “Kinderroman für fast alle Leute”

Auf der Liste: Kinder- und Jugendliteratur des Exils

Literatur als Widerstand

Vier spanische Jungen

/ 1938/1987

Am 16. Juni 1937 hatten sich mitten im spanischen Bürgerkrieg Vier spanische Jungen aus einem von franquistischen Truppen besetzten Dorf zu den Internationalen Brigaden durchgeschlagen. Rewalds Kinderroman geht auf diesen Vorfall zurück und ist ein Auftragswerk der Internationalen Brigaden. Die 1942 in Auschwitz ermordete Autorin reiste aus dem Pariser Exil nach Spanien und lernte die vier Jungen in einem Kinderheim der Republikaner kennen. Der Roman beginnt und endet mit dem Blick auf und den Gedanken der spanischen und der ‘internationalen’ Väter an die Kinder. Der Wunsch nach einer demokratischen und freiheitlichen Erziehung und Umwelt für die Kinder rahmt und bestimmt die Erzählung vom zunächst erfolgreichen Kampf für die Republik in einem Dorf. Die in der Villa des geflohenen Bürgermeisters gegründete Schule wird maßgeblich von den Kindern selbst umgebaut und gestaltet. Als die franquistischen Truppen dann doch wieder die Oberhand gewinnen, dürfen die Kinder nicht mehr in die Schule gehen. Stattdessen versuchen die vier Jungen, durch das nächtliche Klauen von Kohlen auf den Minenfeldern ihre Mütter und Geschwister zu unterstützen. Dabei geraten sie unversehens zwischen die Fronten. mehr

Warum lesen?

Der einzige deutschsprachige und zeitgenössische Kinderroman aus dem spanischen Bürgerkrieg eröffnet eine in weiten Teilen aus Sicht der Kinder erzählte Perspektive auf die politische und pädagogische Bedeutung der Kämpfe. Bei aller Ernsthaftigkeit humorvoll und empathisch.

Auf der Liste: Kinder- und Jugendliteratur des Exils

Literatur als Widerstand