Mo. 02.07.2018 – Fr. 06.07.2018
„An Stelle von Heimat
halte ich die Verwandlungen der Welt“
Nelly Sachs
Als die deutsch-jüdische Dichterin Nelly Sachs am 10. Dezember 1966 in Stockholm mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, schien die Festlegung ihres Schreibens auf die jüdische Thematik besiegelt. Denn der Preis wurde ihr, so die Begründung des Komitees, „für ihre hervorragenden lyrischen und dramatischen Werke“ verliehen, da sie das „Schicksal Israels mit ergreifender Stärke interpretieren“. Aber es war ein geteilter Preis. Mit ihr wurde der in hebräischer Sprache schreibende israelische Schriftsteller Samuel Joseph Agnon gewürdigt. Die befreundete Hilde Domin warnte davor, Nelly Sachs im Prozess deutsch-jüdischer Versöhnung als „Alibi-Autorin“ zu verkennen. Domin insistierte darauf, sie als eine „Schwester von Novalis und Hölderlin“ zu lesen, die in der deutschen Sprache beheimatet sei, „ganz wie die Droste, ganz wie die Lasker ... oder wie Trakl“.
Erstmals tiefere Einblicke in das Leben und Werk bot die 1991 veröffentlichte Sachs-Biografie von der dänischen Literaturforscherin Ruth Dinesen. Sie widmete sich vor allem der Zeit vor 1940, also vor dem schwedischen Exil. Dabei skizziert Dinesen ebenso das zeitgeschichtliche Umfeld wie ihre Herkunft aus einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Unternehmerfamilie. Über diesen Jahren liegt viel Dunkelheit, da Nelly Sachs niemals offen darüber gesprochen hat. Dem schwedischen Schriftsteller Aris Fioretos ist es zu verdanken, dass der Blick auf den gesamten literarischen Kosmos von Nelly Sachs erstmals wirklich geöffnet und die bisherigen Kenntnisse entschieden erweitert wurden. Unter seiner Regie erschien 2010/11 nicht nur eine vierbändige Werkausgabe, zeitgleich wurde auch eine Wanderausstellung unter dem Titel „Flucht und Verwandlung. Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm“ ins Leben gerufen, die von einer umfassenden Bildbiografie begleitet wurde. Damit wurde der Weg bereitet, um deutlich machen zu können, was Nelly Sachs seit dem Tag, da sie Berlin verlassen musste, wirklich geleistet hat.
Projektleitung Carola Opitz-Wiemers