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Kunst vor Gericht. Kirill Serebrennikow, sein Theater und die Folgen
© Irina Rastorgueva

10.02.19
20:00
Gespräch mit Videoeinspielungen

Kunst vor Gericht. Kirill Serebrennikow, sein Theater und die Folgen

Olga Fedianina und Sergio Morabito im Gespräch
Veranstaltungsort: Literaturforum im Brecht-Haus

Der Regisseur Kirill Serebrennikow steht seit 15 Monaten unter Hausarrest, jüngst wurde dieser bis Ende April 2019 verlängert. Der Prozess, der ihm wegen angeblicher Veruntreuung staatlicher Fördermittel gemacht wird, ist in vieler Hinsicht ein Rätsel. Klar ist: er stellt in der Serie von Kunstprozessen, die in Russland seit der Jahrtausendwende gegen Kunst, Künstler und Kuratoren geführt werden, eine neue Dimension dar. Er trifft einen Künstler, der sich zivilgesellschaftlich zwar durchaus engagiert, seine Kunst aber dezidiert nicht als Mittel zum politischen Zweck begreift. Umgekehrt ist seiner Kunst selbst eine gesellschaftliche und politische Dimension zugewachsen, welche die Macht in einem Ausmaß eingreifen ließ, das bisher führenden Oppositionspolitikern vorbehalten war. Die Dramaturgin und Journalistin Olga Fedianina, der Dramaturg und Regisseur Sergio Morabito, die beide mit Serebrennikow gerabeitet haben, stellen Aspekte seines Theater-, Opern-, Film- und Ballettschaffens im Kontext von Brechts Theatertheorie und -praxis vor. Serebrennikow hat bisher erst ein Mal Brecht inszeniert, 2009 die „Dreigroschenoper“ am Moskauer Künstlertheater; seine „Müllermaschine“ (2015), die bei einem Gastspiel seines Gogol-Zentrums auch in Berlin bereits zu sehen war, erschloss der russischen Kulturszene das Schaffen Heiner Müllers, des wohl bedeutendsten Dramatikers in der Nachfolge Brechts. In einem zweiten Teil informieren und diskutieren Fedianina und Morabito über Hintergründe und Verlauf des Prozessgeschehens – in der Hoffnung, dass dieses zum Zeitpunkt der Veranstaltung bereits Geschichte ist, und Kirill Serebrennikow wieder in Freiheit arbeiten kann.



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Biographisches:


Olga Fedianina, Übersetzerin, Dramaturgin und Journalistin. Geboren 1966 in Moskau, studierte dort Theaterwissenschaft und machte anschließend ein Aufbaustudium an der Humboldt-Universität zu Berlin (Germanistik). Arbeitete als freie Autorin und Redakteurin in Moskau und Berlin. Seit 2013 Redakteurin und Autorin im Verlagshaus Kommersant Moskau. Sie schreibt über diverse Aspekte der russisch-deutschen Kulturbeziehungen. Dramaturgin (Auswahl): DER PROZESS (nach Kafka, Regie Timofej Kuljabin, Theater Rote Fackel, Nowosibirsk), TARTUFFE (nach Molière, Regie Filipp Grigorjan, Elektrotheater, Moskau), AM KÄLTEPOL (nach Warlam Schalamow, Regie Timofej Kuljabin, Residenztheater, München). Übersetzte ins Russische diverse Theatertexte, darunter Heiner Goebbels’ DIE ÄSTHETIK DER ABWESENHEIT. Sie verfasste zahlreiche Aufsätze über Bertolt Brecht, insbesondere über Brecht-Interpretationen im russischen Theater.



Sergio Morabito, geboren 1963 in Frankfurt/Main, Studium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen, Regiehospitanzen bei Ruth Berghaus an der Oper Frankfurt. 1993-2018 Dramaturg und Regisseur an der Oper Stuttgart, seit 2011unter der Intendanz von Jossi Wieler auch Chefdramaturg. Mit Wieler inszenierte er zahlreiche preisgekrönte Opern u.a. in Stuttgart, bei den Salzburger Festspielen, in San Francisco, an der Nederlandse Opera Amsterdam, Covent Garden London und am Grand Théâtre de Génève. Wieler und Morabito wurden 2002 und 2012 „Regieteam des Jahres“, 2006 und 2012 erhielten sie den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie „Beste Opernregie“ für Gounods DOKTOR FAUST bzw. Janáčeks DIE GLÜCKLICHE HAND/OSUD. Ihre Inszenierung von Denisovs L’ÉCUME DES JOURS erhielt den International Djaghilev Award 2013 als „Beste Opernproduktion“. Morabito publizierte vielfach in Fachzeitschriften, Anthologien, Programmheften, übersetzte aus dem Italienischen, Französischen, Russischen, lehrte an Studiengängen der Universitäten Frankfurt, Leipzig, Stuttgart und ist Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. 2018 gab er den Band VERWANDLUNGEN. SIEBEN SPIELZEITEN UNTER DER INTENDANZ VON JOSSI WIELER heraus. Er ist designierter Chefdramaturg der Wiener Staatsoper ab 2020/21.

In Kooperation mit dem Goethe Institiut
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