Die Diskreditierung des Utopischen geht auf Marx und das 19. Jahrhundert zurück. Doch können wir sie uns heute, in Zeiten von Klimawandel, Silicon Valley und zunehmender Ungleichheit, immer noch leisten? Brauchen wir Utopien nicht gerade jetzt? Wenn ja, aus welchem Pool von Thesen und Ansätzen können wir schöpfen? Diese Fragen diskutieren die Utopieforscher Aaron Bruckmiller und Alexander Neupert-Doppler mit Ines Schwerdtner und widmen sich dabei auch der Historie sowie unterschiedlichen Formen und Funktionen des Utopischen.
Direkt im Anschluss folgt eine dialogische Lesung von Sarah Lehnerer und Jackie Grassmann, die mit dem Genre der Autofiktion experimentieren, das als einer der Orte gelten kann, an dem versucht wird, die Utopie aus der Praxis des Alltags zu denken. Das macht sie gerade auch für feministische Projekte anschlussfähig. In autofiktionalen Texten wird erprobt, wie Beziehungen und Sorgearbeit in die Geschichten, die wir uns erzählen, integriert werden können. Sarah Lehnerer und Jackie Grassmann präsentieren Auszüge aus einem fortlaufenden, digitalen Briefwechsel. Darin entwickeln die Autorinnen einen Raum, in dem Alltag und Lektüre, Theorie und Praxis eng miteinander verschränkt werden. So entsteht das, was man vielleicht als die Grundbedingung des Utopischen bezeichnen kann: der Traum von einem anderen Leben, der immer in Beziehung zu einem Jetzt steht und das ist, was die Autorinnen als writing in relation begreifen.