26.-27.1.2023

»Ihre faule Zunge herausreißen.« Thomas Harlans Täterliteratur

Thomas Harlans Lebensthema war die Auseinandersetzung mit den TäterInnen der Shoah und ihren Karrieren in der BRD. Harlans Archivrecherche in Polen in den 1960ern über die Verbrechen der »Aktion Reinhardt« führte zu dem Buchprojekt »Das Vierte Reich«, das nie vollendet und publiziert wurde. In der Historiografie der Shoah stellte dieses Projekt bis in die 2000er ein Desiderat dar. Es bildete das Ausgangsmaterial für Harlans Romane »Rosa« (2000) und »Heldenfriedhof« (2006), die an der Schnittstelle von Dokumentation und Fiktion operieren. Diese Romane problematisieren den Umgang der TäterInnen in der BRD mit ihren Verbrechen und legen damit den Finger auf eine Wunde, die etwa Thomas Harlans Freund Fritz Bauer vergeblich bearbeitete: die lange Zeit nur mangelhafte Auseinandersetzung mit den konkreten TäterInnen der Shoah.

Der Workshop widmet sich dem Werk Harlans und den Fragen, die sich aus diesem Werk ergeben: Wie gehen die Nachgeborenen der TäterInnen mit diesem Erbe um? Welche unterschiedlichen und sich ergänzenden Antworten geben Geschichtswissenschaft und Literatur?

 

Organisation Clemens Böckmann und Chris W. Wilpert

Mit freundlicher Unterstützung durch die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Programm

Do. 26.01.2023

17:00 bis 18:00
Einführungsvortrag
Clemens Böckmann und Chris W. Wilpert

Vom »Vierten Reich« zu »Rosa« und »Heldenfriedhof«

Als Sohn des Regisseurs Veit Harlan wächst Thomas Harlan (1929 – 2010) im engsten Kreis der nationalsozialistischen Elite auf. Diese Erfahrung bleibt Signum seines Lebens und seines künstlerischen Arbeitens. Harlan hat, basierend auf seinen Recherchen in polnischen Archiven, die Täterbiografien... weiterlesen

Als Sohn des Regisseurs Veit Harlan wächst Thomas Harlan (1929 – 2010) im engsten Kreis der nationalsozialistischen Elite auf. Diese Erfahrung bleibt Signum seines Lebens und seines künstlerischen Arbeitens. Harlan hat, basierend auf seinen Recherchen in polnischen Archiven, die Täterbiografien in der Bundesrepublik zum Thema seiner Romane »Rosa« (2000) und »Heldenfriedhof« (2006) gemacht. In ihrem Einführungsvortrag schauen Böckmann und Wilpert auf das widersprüchliche und gebrochene Verhältnis von Harlan im Umgang mit seinen eigenen Recherchen: Begonnen als konkrete, politische Aufklärungsarbeit entscheidet sich Harlan sein Material in Literatur zu übersetzen.

 

Ticket: Eintritt frei!
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18:00 bis 19:30
Diskussion
Mit Sara Berger und Michael Farin
Moderation Sieglinde Geisel

Umgang mit NS-Tätern und -Täterinnen im Postnazismus

Michael Farin hat die Romane »Rosa« und »Heldenfriedhof« in Hörspiele übersetzt. Sara Berger rekonstruiert den historischen Hintergrund und die Kriegs- und Nachkriegs-Biografien des im Roman thematisierten Täternetzwerks der Vernichtungslager. Die Diskussionsrunde nimmt das Verhältnis von Literatur und Geschichte, von Fiktion... weiterlesen

Michael Farin hat die Romane »Rosa« und »Heldenfriedhof« in Hörspiele übersetzt. Sara Berger rekonstruiert den historischen Hintergrund und die Kriegs- und Nachkriegs-Biografien des im Roman thematisierten Täternetzwerks der Vernichtungslager. Die Diskussionsrunde nimmt das Verhältnis von Literatur und Geschichte, von Fiktion und Historiografie im Werk Harlans in den Blick: Wie geht Harlan mit den historischen Fakten um? Worauf zielt seine künstlerische Verfremdung? Welchen Möglichkeitsraum bietet die Literatur dafür?

Ticket: Eintritt frei!
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20:00 bis 21:30
Lesung
Mit Robert Stadlober
Kurze Einführung in den Text von Clemens Böckmann und Chris W. Wilpert

Lesung aus »Heldenfriedhof«

Thomas Harlans Roman »Heldenfriedhof« von 2006 beginnt mit dem Fund von 15 Leichen auf einem Soldatenfriedhof in der Nähe von Triest. Die Toten waren allesamt Täter der »Aktion Reinhardt«, die den Massenmord in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka und... weiterlesen

Thomas Harlans Roman »Heldenfriedhof« von 2006 beginnt mit dem Fund von 15 Leichen auf einem Soldatenfriedhof in der Nähe von Triest. Die Toten waren allesamt Täter der »Aktion Reinhardt«, die den Massenmord in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka und zuletzt im Konzentrationslager Risiera di San Sabba organisierten und durchführten. Im Roman bringen sie sich um, als man in der BRD beginnt, sich strafrechtlich für ihre Taten zu interessieren. Während der kollektive Selbstmord Fiktion ist, erzählt der Roman collagenhaft mit Zitaten aus Erinnerungen, Tagebüchern und Protokollen reale Ereignisse. Durch seinen Zusammenprall von historischer Wirklichkeit, fantastischen Verfremdungen und herausfordernder Erzählweise ist »Heldenfriedhof« ein außergewöhnlicher Roman, der in seiner Rezeption in die Nähe von Claude Lanzmanns »Shoah« gerückt wurde.

Eintritt: 6,- € / ermäßigt: 4,- €
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Fr. 27.01.2023

13:00 bis 18:30
Vorträge

Workshop: Thomas Harlans Täterliteratur

13:00 Daniela Henke »Einige Bemerkungen zur Pathologie der zeitgenössischen Romanstruktur«. Thomas Harlans »Heldenfriedhof« als verweigerte Erzählbarmachung   14:00 Jan Süselbeck Emotionalisierungsstrategien in Thomas Harlans »Heldenfriedhof«   15:30 Christoph Schneider früh / spät   16:30 Abschlussdiskussion    ... weiterlesen

13:00 Daniela Henke »Einige Bemerkungen zur Pathologie der zeitgenössischen Romanstruktur«. Thomas Harlans »Heldenfriedhof« als verweigerte Erzählbarmachung

 

14:00 Jan Süselbeck Emotionalisierungsstrategien in Thomas Harlans »Heldenfriedhof«

 

15:30 Christoph Schneider früh / spät

 

16:30 Abschlussdiskussion

 

 

Ticket: Eintritt frei!
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Mitwirkende

Sara Berger

Dr. Sara Berger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main und hat sich in ihrer Studie »Experten der Vernichtung« (2013) mit dem Personal der Vernichtungslager der »Aktion Reinhardt« auseinandergesetzt.

Clemens Böckmann

Clemens Böckmann studierte in Kiel, Lissabon und Tel Aviv. 2018 machte er seinen Masterabschluss im Bereich Sprache und Gestalt bei Prof. Oswald Egger an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Seitdem lebt und arbeitet er als Autor, Veranstalter und Herausgeber in Leipzig. Zuletzt erschien: (mit Yeongbin Lee) »Rrtt« (2021), als Herausgeber: Alvaro Maderholz »Springer Innen« (2021), (mit Johannes Spohr) »Phantastische Gesellschaft. Gespräche über falsche und imaginierte Familiengeschichten zur NS-Verfolgung« (2022). Gegenwärtig forscht er zu den Möglichkeiten biografischen Erzählens und verfasst seinen ersten Roman über das Leben einer Sexarbeiterin in Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Michael Farin

Michael Farin ist Verleger (belleville Verlag) und Autor. Er hat zahlreiche Hörspiele geschrieben und produziert, unter anderem: »Rosa – Die Akte Rosa Peham« und »Rosa – Reise nach Kulmhof« (beide 2001), »Heldenfriedhof. Der Roman des Enrico Cosulich« und »Heldenfriedhof. Ich bin nicht mehr in mir – das Leben des Enrico Cosulich« (beide 2006), »Veit« (2011), »Die Quellen sprechen. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland« (2013ff.), »Hiob Gesicht Gottes« (2015) und das Porträt über Thomas Harlan: »Leuchtkugeln aus Blut« (2001).

Sieglinde Geisel

Sieglinde Geisel lebt als Literaturkritikerin, Lektorin und Schreibcoach in Berlin. Sie arbeitet für verschiedene Medien (u.a. Deutschlandfunk Kultur, WDR, Süddeutsche Zeitung, Republik) und hat 2016 das Online-Literaturmagazin tell gegründet (www.tell-review.de). Sie hat zahlreiche Artikel zu Thomas Harlan und Interviews mit ihm publiziert und betreut die Website https://www.thomasharlan.com/. Buchveröffentlichungen (Gesprächsbände): »Peter Bichsel: Was wäre, wenn?« (2018), »Alberto Manguel: Ein geträumtes Leben« (2021).

Daniela Henke

Dr. Daniela Henke ist Literaturwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie arbeitet derzeit an ihrem Habilitationsprojekt über die jüdische Intellektuelle Rahel Levin Varnhagen. Sie promovierte am Graduiertenkolleg »Faktuales und fiktionales Erzählen« an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. Veröffentlichung ihrer Dissertation: »Zerborstene Texte und Wirklichkeiten in der Schwebe. Experimentelles Erzählen über den Nationalsozialismus in der deutschsprachigen Literatur (1990-2010)« (2023).

Christoph Schneider

Christoph Schneider (Frankfurt/Main) ist freier Autor und Kulturwissenschaftler. Arbeitsschwerpunkte: NS-»Euthanasie« (Forschung und Vermittlung), Rezeption der NS-Vernichtungspolitik in Filmen, Nachkriegsprozessen und der Populärkultur. Zuletzt erschien: »Die Welle als Muster. Sechs Thesen zur »antisemitischen Welle« 1959/60« (2020), »Hadamar von innen. Überlebendenzeugnisse und Angehörigenberichte« (2020).

Robert Stadlober

Robert Stadlober ist Schauspieler, Hörbuch- und Synchronsprecher und Musiker. Filme (Auswahl): Crazy, Krabat, Jud Süß – Film ohne Gewissen, Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm. Lesungen u.a. aus Texten von Peter Weiss, Christian Geissler und Herbert Marcuse.

Jan Süselbeck 

Jan Süselbeck ist seit 2021 Associate Professor für deutsche und europäische Kulturstudien an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim (NTNU). 2020 – 2021 war er DAAD-Stipendiat an der RWTH Aachen University und von 2015-2020 DAAD Associate Professor of German Studies an der University of Calgary, Alberta, Kanada. 2017 Junior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. Vertretungsprofessuren an der Philipps-Universität Marburg und an der Universität Siegen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Emotionswissenschaft, Schreiben nach der Shoah und literarischer Antisemitismus.

Chris W. Wilpert

Chris W. Wilpert ist Literaturwissenschaftler, Autor und Übersetzer. 2011 – 2017 war er Mitherausgeber der Zeitschrift testcard. Beiträge zur Popgeschichte und seit 2022 ist er geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft. Er forschte zur Prosa Thomas Harlans und zur Nachgeschichte der Shoah in der deutschsprachigen Literatur.

→ Tickets für die Lesung am 26.01. um 20.00 Uhr

Sonstige Veranstaltungen mit freiem Eintritt!

Dokumentation

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Thomas Harlans Täterliteratur: Umgang mit NS-Tätern und -Täterinnen im Postnazismus
Mit Mit Sara Berger und Michael Farin
Moderation Sieglinde Geisel

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Thomas Harlans Täterliteratur: Lesung aus Heldenfriedhof
Mit Robert Stadlober
Kurze Einführung in den Text von Clemens Böckmann und Chris W. Wilpert

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Workshop: Thomas Harlans Täterliteratur
27.01.2023

Thomas Harlans Täterliteratur: Jan Süselbeck

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Thomas Harlans Täterliteratur: Christoph Schneider

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