Schon lange begleitet die Menschheit die Idee von Automaten, Robotern und Künstlicher Intelligenz. Romane wie Mary Shelleys »Frankenstein« oder E.T.A. Hoffmanns »Sandmann« spielen prominent mit der Figur des technologischen Übermenschen. Michael Wildenhain, Autor von »Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz« (2024), beleuchtet in seinem Eröffnungsvortrag die historische Verstrickung von Literatur und Künstlicher Intelligenz. Wann fing alles an? Und womit? Wie hat die Literatur den Traum von der Künstlichen Intelligenz befeuert? Wie hat sie ihn verarbeitet? Und wie nahe kommt Künstliche Intelligenz der menschlichen wirklich? Wie kann man ihre Geschichte erzählen? Und, als thesenartiger Ausblick: Was macht KI mit der Literatur und dem »System Literatur«, wie wir es kennen?

PoetKI. Poetik x Künstliche Intelligenz
Die Literatur hat einen besonderen Zugang zu KI. Zum einen thematisiert und reflektiert sie künstliche und übernatürliche Intelligenzen schon seit Tausenden von Jahren. Zum anderen wird auch die Literatur – wie jedes andere gesellschaftliche Feld – vom Wandel berührt, den KI mit sich bringt. Doch was bedeutetet dieser Wandel konkret für die Literatur, für einzelne literarische Werke, das Konzept des Künstlers und die Vorstellung von Kreativität und Kunst? Handelt es sich um eine revolutionäre Umwälzung und wenn ja, wie gestaltet sich diese Umwälzung? Was bedeutet sie ästhetisch, gesellschaftlich und was für das Schreiben? Wie sieht Literatur aus, die mit Algorithmen, Künstlichen Intelligenzen und Computern geschrieben ist?
Kuratiert von Jens Winter
Gefördert durch die Aventis Foundation
Programm
Do. 11.07.2024
Geschichte der Künstlichen Intelligenz
Schon lange begleitet die Menschheit die Idee von Automaten, Robotern und Künstlicher Intelligenz. Romane wie Mary Shelleys »Frankenstein« oder E.T.A. Hoffmanns »Sandmann« spielen prominent mit der Figur des technologischen Übermenschen. Michael Wildenhain, Autor von »Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz«... weiterlesen
Das Ticket ist für den Vortrag und das Podiumsgespräch im Anschluss gültig.
Literatur im Zeitalter ihrer technischen Produzierbarkeit
Das Buch »(Berlin, Miami)« (2023) von Hannes Bajohr ist der erste prominente, mit einer KI geschriebene deutsche Roman. Hierfür speiste Bajohr unterschiedliche Eingangstexte in eine Künstliche Intelligenz und gab ihr den Auftrag, anhand dieser Vorlagen ein neues Werk zu schreiben.... weiterlesen
Das Buch »(Berlin, Miami)« (2023) von Hannes Bajohr ist der erste prominente, mit einer KI geschriebene deutsche Roman. Hierfür speiste Bajohr unterschiedliche Eingangstexte in eine Künstliche Intelligenz und gab ihr den Auftrag, anhand dieser Vorlagen ein neues Werk zu schreiben. Handelt es sich bei dieser Art, Literatur zu verfassen, um einen epochalen Bruch? In seinem berühmten Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« widmete sich Walter Benjamin schon in den 1930er Jahren der Frage nach der Reziprozität von technologischer Entwicklung, ästhetischer Wahrnehmung, gesellschaftlichen Wandels und Kunstproduktion. Seiner Ansicht nach schaffe die Technik neue Wege gesellschaftlicher und künstlerischer Praxis, zerstöre alte, verändere die Wahrnehmung und wirke so wieder zurück auf das, was produziert wird. Wird derart auch durch KI »der Begriff der Kunst auf die zauberhafteste Art« verändert werden? Und wenn ja, wie? Wie fordert Künstliche Intelligenz den gängigen Begriff von Literatur heraus? Kann sie das digitale Zeitalter auf eine besondere Weise reflektieren? Oder ist sie einfach nur eine technische Spielerei?
Das Ticket ist für das Podiumsgespräch und den Vortrag zuvor gültig.
Fr. 12.07.2024
Positionen zu Literatur und KI
Philipp Schönthaler Von der Problematik, Sätze in eine Reihe zu bringen Christiane Frohmann Der Literatur keinen Schaden zufügen. Kulturphilosophische KI-Gesetze Ann Cotten Schreiben nach KI Philipp Schönthaler, Ann Cotten und Christiane Frohmann im Gespräch mit André Hatting Wie wird... weiterlesen
Philipp Schönthaler Von der Problematik, Sätze in eine Reihe zu bringen
Christiane Frohmann Der Literatur keinen Schaden zufügen. Kulturphilosophische KI-Gesetze
Ann Cotten Schreiben nach KI
Philipp Schönthaler, Ann Cotten und Christiane Frohmann im Gespräch mit André Hatting
Wie wird der Einsatz von KI die Literatur verändern? Was bedeutet KI für literarisch Schreibende? Wird der schon oft ausgerufene »Tod des Autors« nun Realität? Oder ändert sich einfach nichts? Was muss zu und über KI aus dem Blickwinkel der Literatur gesagt werden? Muss überhaupt etwas zu ihr gesagt werden?
PROMETHEUS-AI – Ein Künstliches Drama von Marius Goldhorn
Das Stück PROMETHEUS-AI ist ein Dialog zwischen Herakles und Prometheus, der durch eine Konversation von Marius Goldhorn mit der GPT-3-AI text-davinci002 des Entwicklers openAI im Jahre 2022 entstand. Enis Maci liest den Dialog zusammen mit Pascal Richmann. Im Anschluss wird... weiterlesen
Das Stück PROMETHEUS-AI ist ein Dialog zwischen Herakles und Prometheus, der durch eine Konversation von Marius Goldhorn mit der GPT-3-AI text-davinci002 des Entwicklers openAI im Jahre 2022 entstand. Enis Maci liest den Dialog zusammen mit Pascal Richmann. Im Anschluss wird Marius Goldhorn für einen Artist Talk zugeschaltet. Ist KI das neue Feuer des Prometheus?
Mitwirkende

Bernhard J. Dotzler ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Regensburg. 2010 war er Visiting Max Kade Professor an der University of
California, Santa Barbara, 2018 Charlotte M. Craig Distinguished Visiting Professor, Rutgers University. Seine Forschungsinteressen sind fortgeführte Unzeitgemässe Betrachtungen aller Art, eine Kritik der maschinellen Intelligenz sowie Astronoetische Beobachtungen zur Informationstechnologie. Sein neustes Buch ist »ChatGPT und andere Quatschmaschinen« (Mithrsg., 2023).
Christiane Frohmann ist eine deutsche Schriftstellerin, Verlegerin, Publizistin und betreibt den Frohmann Verlag. Christina Frohmann studierte Komparatistik, Philosophie und Germanistik an der FU Berlin und als DAAD-Stipendiatin an der Yale University (New Haven, Connecticut, USA), wo sie am »Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies« forschte. Sie lebt mit Unterbrechungen seit 1992 in Berlin.

Marius Goldhorn ist Autor des Reiseromans »Park« und des esoterischen Gedichtbandes »Yin«. Er schreibt für das Kulturmagazin »Das Wetter«. 2022 hat er das AI-Theaterstück »PROMETHEUS-AI« generiert. Er arbeitet in Venedig an seinem nächsten Roman.

Juan S. Guse, wurde 1989 in Seligenstadt geboren. Er studierte »Kreatives Schreiben« und anschließend »Neuere Deutsche Literatur«. Sein Debütroman »Lärm und Wälder« erschien 2015, gefolgt von seinem zweiten Roman »Miami Punk«, erschienen 2019. Er lebt aktuell in Hannover.

André Hatting, geboren 1974 in Wilhelmshaven, veröffenticht seit 1995 Gedichte, ARD-Hörspiele und Radiofeatures. Seit 2007 arbeitet er als Literaturkritiker für Deutschlandfunk Kultur u. a. 2019 veröffentlichte er den Gedichtband »sonntag«. Im Jahr 2021 begann er im Auftrag des hessischen Kultusministeriums, die Leitung von Lyrik-Workshops zur Lehrer*innenfortbildung. Seit 2022 organisiert und führt er im Rahmen des Projekts Weltenschreiber in Mecklenburg-Vorpommern Lyrik-Projekte an Schulen durch.

Marie Kaiser, geboren 1981 in Potsdam, ist Radiojournalistin. Sie hat in Weimar und Lyon Kulturwissenschaften studiert. Seit 2008 arbeitet sie bei Radio Eins (RBB) und hat dort ihre eigene Kunstkolumne »art aber fair« und moderiert mit Thomas Böhm gemeinsam die Sendung »Literaturagenten«. Es gibt sie auch als Podcast, aber in erster Linie wird sie live im Radio gehört. Sie diskutiert Aktuelles aus der Literaturwelt und stellt die besten Neuerscheinungen vor. 2010 erhielt Marie Kaiser den Kurt-Magnus-Preis, eine Auszeichnung der ARD für junge Hörfunkjournalist*innen.
Enis Maci, geboren 1993 in Gelsenkirchen, ist eine deutsche Essayistin und Dramatikerin und Autorin. Ihr neuster Buch »WUNDER« erschien 2023. Enis Maci ist außerdem Mitherausgeberin der Kollaboration »Ein faszinierender Plan«. Die Installation gleichen Namens wurde von den Ruhrfestspielen Recklinghausen und den Münchner Kammerspielen koproduziert. In Zusammenarbeit mit dem Lenbachhaus gab sie darüber hinaus den Band »Filamentous Magic Carpets« heraus. Enis Macis Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, zuletzt etwa mit dem Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich.

Dr. Simon Roloff ist Autor, Literatur- und Medienwissenschaftler. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am ICAM an der Leuphana Universität Lüneburg, zuvor arbeitete er als Juniorprofessor am Literaturinstitut Hildesheim. Er publiziert zu Künstlicher Intelligenz, digitaler Literatur und Kulturtechniken des Digitalen. Zuletzt erschienen: »Ausweitung der Coachingzone«.

Philipp Schönthaler, geboren am 13. Oktober 1976 in Stuttgart, ist freier Schriftsteller. Seine Bücher erscheinen bei Matthes & Seitz Berlin. Zuletzt: »Wie rationale Maschinen romantisch wurden«. »KI, Kreativität und algorithmische Postrationalität« (2024), »Die Automatisierung des Schreibens & Gegenprogramme der Literatur« (2022) sowie der Roman »Der Weg aller Wellen« (2019). Philipp Schönthaler lebt in Berlin und arbeitet dort freiberuflich.

Michael Wildenhain ist 1958 in Berlin geboren, wo er auch heute lebt. Er studierte Philosophie- und Informatik. Für sein literarisches Schaffen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Ernst-Willner-Preis, dem Stipendium der Villa Massimo sowie dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds. Michael Wildenhain schrieb mehrere Theaterstücke, von denen 2012 ein Auswahlband erschienen ist. Sein letzter Roman »Das Singen der Sirenen« erschien 2017 und war für den Deutschen Buchpreis nominiert, 2018 würdigte das Literaturforum im Brecht-Haus sein Gesamtwerk mit einem Symposium.
Aufzeichnungen
»PROMETHEUS-AI – Ein Künstliches Drama« von Marius Goldhorn
Gesprochen von Enis Maci und Pascal Richmann
Anschließend Artist Talk mit Marius Goldhorn (zugeschaltet)
»Positionen zu Literatur und KI«
Mit Philipp Schönthaler, Ann Cotten und Christiane Frohmann
Moderation: André Hatting
»Literatur im Zeitalter ihrer technischen Produzierbarkeit«
Mit Bernhard Dotzler und Simon Roloff
Moderation: Marie Kaiser
»Geschichte der Künstlichen Intelligenz«
Mit Michael Wildenhain
Presse
Revolutioniert die permanente technische Weiterentwicklung von KI die Literatur – ob nun im Guten oder im Bösen? Davon kann nicht die Rede sein, urteilt Cornelius Wüllenkemper in seinem Bericht über den Veranstaltungsschwerpunkt »PoetKI« (11. / 12. Juli 2024) in der FAZ. Zwar kann KI auf Wahrscheinlichkeitsrechnung basierende Unterhaltungsliteratur erschaffen, aber:
Dass es mit maschinell erstellten Texten derweil längst nicht so weit her ist, wie die einen behaupten und die anderen befürchten, und dass die akademische Sekundärliteratur darüber weitaus mehr Beachtung findet als die Computertexte selbst, wurde im Gespräch zwischen dem Medienwissenschaftler Bernhard Dotzler und dem Autor und Literaturwissenschaftler Simon Roloff deutlich. (…) Die Warnungen, die KI werde demnächst die Literaturszene oder das Feuilleton übernehmen, darf man getrost ignorieren.
Hier geht es zum Artikel: FAZ vom 15.07.2024