In Franz Fühmanns Werk und Biografie spiegeln sich die Katastrophen und Konfrontationen des 20. Jahrhunderts paradigmatisch – Erfahrungen und Widersprüche, aus denen Fühmann das Ringen um Wahrheit als obersten Wert von Literatur ableitete. Die eigene Verstrickung in den Nationalsozialismus, die Erkenntnis, über Auschwitz zum Sozialismus gekommen zu sein, die Frage nach der (Un-)Möglichkeit von Wandlung hat kaum jemand so radikal, lebenslänglich und konsequent durchbuchstabiert wie Fühmann. Roland Berbig stellt diesen außergewöhnlichen Autor in Text, Blatt und Bild vor, moderiert von Nadine Kreuzahler.
7. – 8.1.2022
„Werden müssen, was man flieht – ist es unabwendbar?“ Franz Fühmann zum 100. Geburtstag
Franz Fühmann (1922–1984), in der DDR anfangs geschätzt als „Vergangenheitsbewältiger mit der schönen Sprache, den lieben Kinderbüchern und den treffenden Nachdichtungen“, blickte am Ende unter dem Damoklesschwert des Scheiterns auf sein Leben zurück: „so grauenhaft viel vertane Zeit, so viel Gestocktes, so viel Hinausgezögertes, so viel Halbfertiges und Unabgegoltenes, von dem Mißlungenen ganz zu schweigen“. Hier spricht ein nurmehr „geduldeter Außenseiter“ auf scheinbar verlorenem Posten und zusehends ernüchtert vom Hindernislauf innerhalb DDR-spezifischer Kulturbürokratie und Zensur. Dieses Fazit lässt sich nicht dulden – weder aus Lesenden- noch Nachgeborenenperspektive.
Ob Mythos, Märchen, Vergangenheit, Zukunft oder Saiäns-Fiktschen – Franz Fühmann stellte sich seinen Themen und Stoffen zeitlebens in all ihrer Dringlichkeit, immer aufs Ganze aus, im unaufhörlichen Ein- und Umkreisen der Fragestellungen, auf der Suche nach der Funktion von Literatur und im Bannkreis der Begriffe Wahrheit und Würde, Scham und Schuld. Er legte dabei seinen Finger in die Wunden – die gesellschaftlich brennenden wie die eigenen verborgenen, und seine Sorge wuchs nicht zuletzt im Hinblick auf das Überleben der Menschheit angesichts zugespitzter, atomarer Konfrontation zwischen den Gesellschaftssystemen.
Das Literaturforum im Brecht-Haus erinnert in Kooperation mit dem Hinstorff Verlag, der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur LesArt mit vier exemplarischen Veranstaltungen an diesen, wagt man die Lektüre, hochaktuellen und im gegenwärtigen Literaturbetrieb unverschämt wenig präsenten Jahrhundertautor.
Projektleitung: Kristin Schulz
In Kooperation mit dem Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Hinstorff Verlag und LesArt – Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur
Gefördert von der Stiftung Preußische Seehandlung
Programm
Fr. 07.01.2022
Franz Fühmann – Lebens- und Schreibblätter (1922–1984)
In Franz Fühmanns Werk und Biografie spiegeln sich die Katastrophen und Konfrontationen des 20. Jahrhunderts paradigmatisch – Erfahrungen und Widersprüche, aus denen Fühmann das Ringen um Wahrheit als obersten Wert von Literatur ableitete. Die eigene Verstrickung in den Nationalsozialismus, die... weiterlesen
„Staunendes Begreifenwollen“. Autor:innen über ihr Verhältnis zu Franz Fühmann
Fühmanns Zugang zu Dichtung war geprägt von „staunendem Begreifenwollen“ und sein Engagement für Autor:innen sprichwörtlich. „Ich grüße alle jungen Kollegen, die sich als obersten Wert ihres Schreibens die Wahrheit gewählt haben“, lautet die Inschrift auf seinem Grabstein. Annett Gröschner, Kerstin... weiterlesen
Fühmanns Zugang zu Dichtung war geprägt von „staunendem Begreifenwollen“ und sein Engagement für Autor:innen sprichwörtlich. „Ich grüße alle jungen Kollegen, die sich als obersten Wert ihres Schreibens die Wahrheit gewählt haben“, lautet die Inschrift auf seinem Grabstein. Annett Gröschner, Kerstin Hensel, Jochen Schmidt, Julia Schoch und Kristin Schulz stellen sich der Herausforderung und reflektieren ihr Verhältnis zu Fühmann; sie sprechen über Prägungen, Einflüsse und ihre Erfahrungen mit der Dichtung Fühmanns und lesen ihre Fühmann-Lieblingstexte.
Sa. 08.01.2022
„Lob des Ungehorsams“.
Der Kinderbuchautor Franz Fühmann
„Kinder sind das dankbarste, das intelligenteste, das kritischste, das verständigste, das aufgeschlossenste, das sachkundigste, kurzum: das ideale Publikum“, so Fühmann im Gespräch mit Josef-Hermann Sauter. Ob er Kinder zu Sprachspielereien mit Küslübürtün (dem „Großen und erhabenen Geist des Wohlgefallen erregenden... weiterlesen
„Kinder sind das dankbarste, das intelligenteste, das kritischste, das verständigste, das aufgeschlossenste, das sachkundigste, kurzum: das ideale Publikum“, so Fühmann im Gespräch mit Josef-Hermann Sauter. Ob er Kinder zu Sprachspielereien mit Küslübürtün (dem „Großen und erhabenen Geist des Wohlgefallen erregenden Sprachklangs“) oder zu Geschichtsphilosophie mit Prometheus anregte – Fühmann nahm Kinder als Gegenüber in Text und Person ernst. Welche Rolle Illustrationen dabei spielen, darüber kommen die Illustratorin Kristina Andres, Kathrin Buchmann (LesArt) mit Wiebke Schleser (BuchSegler) ins Gespräch, moderiert von Jana Mikota.
„Dem Menschen das Ertragen der Wahrheit zutrauen“. Ausgewählte Texte Franz Fühmanns
„Wird Literatur und Kunst als das gewollt, was beide ihrem Wesen nach sind: als das Unbequeme, als das Salz auf die Wunde, als das Aussprechen dessen, was ist, als Beunruhigung, als Mahnung, als schlechtes Gewissen, als das Kind vor des... weiterlesen
„Wird Literatur und Kunst als das gewollt, was beide ihrem Wesen nach sind: als das Unbequeme, als das Salz auf die Wunde, als das Aussprechen dessen, was ist, als Beunruhigung, als Mahnung, als schlechtes Gewissen, als das Kind vor des Kaisers neuen Kleidern, als Gegenkraft gegen das Verdrängen, als Störenfried, als Schreihals, als Unruhestifter, als der Hecht im Karpfenteich öffentlicher Sattheit, als Skandalon, als Empörendes und Empörer, als Vorlautes, als Maßloses, als Überschreiten von Grenzen, als Infragestellen von Etabliertem, als Zweifel, als Steller lästiger Fragen“ – die einzig mögliche Antwort auf Fühmanns unbequeme Frage bieten die ausgewählten Prosastücke, Briefe, Notate und Passagen, zusammengestellt aus seinem umfangreichen Werk und gelesen von Corinna Harfouch.
Literaturwissenschaftler und emeritierter Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Sprachwissenschaftlerin und Bibliothekarin. Sie ist für die Programmleitung bei LesArt – Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur zuständig.
Schriftstellerin und Journalistin.
Schauspielerin.
Schriftstellerin und Autorin.
Kulturredakteurin beim rbb.
Germanistin mit Forschungsschwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur.
Schriftsteller und Übersetzer.
Schriftstellerin und Übersetzerin.
Germanistin, Übersetzerin und Autorin.
Malerin, Grafikerin, Illustratorin, Autorin.
Buchhändlerin und Gründerin des Buchladens BuchSegler.
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