Die Werbung empfiehlt den Leuten, ihre Träume zu leben. Kritische und auch weniger kritische Stimmen dagegen fordern, dass sie aufwachen und nicht mehr träumen sollen. Könnte es vielleicht sein, dass beide Seiten heimliche Komplizen sind? Beide wollen ja keine Wirklichkeit zulassen, in der es Träume gibt. Was aber brauchen Menschen, um sich nicht alles gefallen zu lassen?

Brecht-Tage 2022
7. – 11.2.2022
Brecht und Klasse und Traum „Stärkende Träume brauchen Bodenhaftung“
Projektleitung Falk Strehlow
Bertolt Brecht mochte einen nahezu zwanghaft eindeutigen Klassenbegriff vertreten haben (als exemplarisches Bespiel sei hier Das Lied vom Klassenfeind genannt). Brecht hatte ein überaus zwiespältiges Verhältnis zum Traum: Einerseits vermag der Traum die Augen für gesellschaftliche Gegebenheiten zu öffnen und dabei rätselhaft-revolutionäre Sprengkraft zu erzeugen (der Traum des Soldaten Fewkoombey aus dem Dreigroschenroman oder die fünf Träume in Der gute Mensch von Sezuan sind Prototypen Brechtʼschen Träumens); andererseits verweist Brecht in aller Deutlichkeit auf die realitäts-vernebelnde Wirkung eines Theaters als einer „Stätte der Träume“, als einer Stätte der bürgerlichen Verweigerung von Einsicht und Veränderung.
Brecht behauptet: „Ich träume nie.“
Die Verbindung der beiden Themen „Klasse“ und „Traum“ eröffnet hier zwei Spannungsverhältnisse gleichzeitig, einmal: das Verhältnis zwischen Klasse bei Brecht und der gegenwärtig geführten Klassismus-kritischen Debatte und zum anderen: das Verhältnis zwischen konformistischem Verdrängen von Realität durch das ‚Opium des Traumes‘ und einem bewusst – bewusstseinserweiternd? – in die bestehenden Realitäten eingreifenden Träumen. Und so soll das Feld unseres gemeinsamen Denkraums für die Brecht-Tage 2022 von drei Denk- und Fragerichtungen bestimmt sein, Richtungen, die hier keine Einbahnstraßen sind: (1) Wie lassen sich Brechts Klassen-Begriff, seine scharfen Klassenfeind-Konturierungen sowie die aus ihnen folgende politische wie weltanschauliche Haltung auf die heutige (Anti-)Klassismus-Debatte beziehen und kritisch und/oder produktiv in sie einbringen; und andersherum: wie lesen wir auf der Grundlage der momentanen Debatte Brechts Klassen-Texturen neu? (2) Welche Funktionen haben die unterschiedlichen Modi des Traumes in Brechts Theatertheorie und -praxis sowie in weiteren seiner künstlerischen Ausdrucksformen; und wie verhalten sich diese (oftmals widersprüchlichen) Funktionen zueinander? (3) An welchen Stellen begegnen sich (1) und (2) und warum gerade da; welches Verhältnis besteht zwischen Brechts Kampf gegen Klassismus und dem von ihm ins Feld geführten Topos des Traumes?
In den Brecht-Tagen 2022 geht es uns also weniger um die drei einzelnen und abgrenzbaren Themengebiete: „Brecht“ – „Klasse“ – „Traum“. In unserem gemeinsamen Werkstattgespräch schauen wir auf das Scharnier zwischen ihnen; die vielfältigen Überlagerungen der drei Felder sind unser Thema; unser Blick gilt ihrem wechselseitigen Aufeinander-bezogen-Sein: Brecht UND Klasse UND Traum.
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Folgende Veröffentlichungen sind für den sich im 21. Jahrhundert herausbildenden Klassen-Begriff richtungsweisend: Prolls – Die Dämonisierung der Arbeiterklasse von Owen Jones (2012), Die Poesie der Klasse – Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats von Patrick Eiden-Offe (2017), Zeige deine Klasse – Die Geschichte meiner sozialen Herkunft von Daniela Dröscher (2018), Für einen linken Populismus von Chantal Mouffe (2018), Solidarisch gegen Klassismus – organisieren, intervenieren, umverteilen herausgegeben von Francis Seeck und Brigitte Theißl (2020), Die offene Gesellschaft und ihre Grenzen von Wolfgang Engler (2021) sowie der von Maria Barankow und Cristian Baron herausgegebene Sammelband Klasse und Kampf (2021). Die sieben Titel zeigen an, dass „richtungsweisend“ und aus verschiedenen Richtungen kommend keinen Widerspruch darstellen (und falls doch, so einen dialektischen), dass diese Denkrichtungen in produktiver Weise zusammenpassen, ein Gespräch entfachen.
Bei dieser Vielstimmigkeit des momentan immer lauter geführten Gesprächs soll nun auch Brechts Stimme zu Wort kommen – als eine Stimme mit unterschiedlichen Antworten, mit unterschiedlichen Fragen. Denn bei genauerem Hinschauen ist die Figuration der „Klasse“ in seinen Texten keineswegs so eindeutig, wie eingangs angenommen. Brechts Klassen-Figuren zeichnen sich vor allem durch ihre Unbestimmtheit aus, sind sie doch alles andere als widerspruchsfrei. Welcher Klasse ist sie zugehörig: die am Krieg verdienende, den Krieg befürwortende, befördernde, mit ihm Handel treibende „Mutter Courage“? Ist „Mackie Messer“ ein Proll oder ein Banker? Welchen Klassenstandpunkt vertritt der ach so „gute Mensch von Sezuan“ „Shen Te“-„Shui Ta“?
Auch die Träume sind in Brechts Werk nicht so rar gesät, wie man vielleicht – ausgehend vom gängigen Brecht-Bild – denken mag; und ebenso erstaunt ihre Vielgestaltigkeit. Denn bemerkenswert am Traumgeschehen Brechtʼscher Träume ist, dass es unterschiedlichste Funktionen, Semantiken, Figurationen anzunehmen vermag. Beispielhaft dafür seien hier vier prominente Träume genannt: Im Aufstieg des Arturo Ui wälzt sich Ui/(Hitler) „die Revolver im Schoß“ „in schweren Träumen auf seinem Bett“; nun erscheint ihm im Traum der von ihm ermordete Roma/(Röhm), woraufhin die Leibwächter Uis/(Hitlers) auf die Traumerscheinung schießen; auf der Folie dieses ungleichen Duells setzt Brecht nun eine, den Traum bestimmende, Überlegenheit prononciert ins Bild; er lässt die Traumfigur sagen: „Schieß nur! Was von mir blieb, ist kugelsicher.“ Im Lesebuch für Städtebewohner verkündet Brecht seinen Katechismus der Großstadt; jede individual-psychologisch atomisierende Perspektive Lügen strafend heißt es dort in seinem 8. Gebot: „Laßt eure Träume fahren, daß man mit euch / Eine Ausnahme machen wird …“ In Die Gesichte der Simone Machard erteilt niemand sonst als der Traum die Handlungsanweisungen, die das Stück vorantreiben; für den antifaschistischen Widerstand gibt die Traumerscheinung des Engels ihre klaren Anweisungen, die nichts Geringeres als die Sprengung umfangreicher Benzinvorräte nach sich ziehen. Und der Traum vom Glück des „Prinzen, weit drüben im Märchenlande“ in Brechts Märchen weist nun seinerseits das Verhältnis von Traum und Realität aus als ein Muster verhängnisvoll widersprüchlich gespiegelter Reziprozität.
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Der damalige Student an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin: Karl-Diether Gussek schildert ein Treffen mit Brecht, in dem Brecht „Studenten vom Lande“ zu seiner Katzgraben-Inszenierung einlud: „Freikarten lagen für uns bereit. Nur Studenten vom Lande seien erwünscht.“ Brecht versprach sich von dem Treffen mit den Studenten mit Landwirtschaftsbezug Verbesserungsvorschläge für die umstrittene Aufführung, für die Theatralisierung eines Lebens auf dem Lande, für dessen realistische Darstellung. Die Studenten forderten Typisierungen einzelner Figuren ein, wurden träumerisch, „manches steigerte sich ins Groteske“. Brecht wurde sauer: „Es störte das Träumen. Stärkende Träume brauchen Bodenhaftung.“
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Die Brecht-Tage 2022 Brecht und Klasse und Traum sind ein Werkstattgespräch – ein Gespräch mit vielen Stimmen. In diesem kontrovers und ergebnisoffen geführten Gespräch geht es uns darum, Traumdeutungen von Brecht-Träumen herauszuarbeiten, die dem Realismus verpflichtet sind, Traumdeutungen mit „Bodenhaftung“. Dabei sind mannigfaltige Zugänge zu Brecht, Erweiterungen seiner literarischen Angebote, vielgestaltige Ausdrucksformate für seine Gedanken sowie die Kritik an ihnen willkommen: Vortrag, aktivistischer Beitrag, Lesung, künstlerische Aktion, wissenschaftlicher Zugang, Podiums- und Publikumsdiskussion treffen hier aufeinander.
Bei dem Versuch einer Beantwortung der drei oben genannten Fragen ist unser Werkzeugkasten kein begrenzter „Kasten“; bei der Erarbeitung einer gemeinsamen lust- und erkenntnisgewinnbringenden (Brecht-/Klassen-/Traum-)Deutungsvielfalt ist unsere Werkstattgesprächsführung bestimmt vom Prinzip einer allgemeinen Gesprächsoffenheit. Nur einer Blickrichtung sei hier eine Grenze gesetzt. Brechts Glücksgott spricht: „Ich bin der Gott der Niedrigkeit / Der Gaumen und der Hoden / Denn das Glück liegt nun einmal, tut mir leid / Ziemlich niedrig am Boden.“ Unsere Neugier, unser Erkenntnisinteresse an Brechts Träumen ist bestimmt von einer Blickrichtung nach unten, hin zum „Niederen“. Nicht in träumerische Höhen richtet sich der Blick, sondern auf den Boden der Tatsachen einer in unserer Welt herrschenden Klassengesellschaft und ihrer (vermeidbaren) Folgen.
Und wer nun immer noch nicht glaubt, dass sich bei Brecht Träume und Klassenzugehörigkeit produktiv zusammen denken lassen, sei hier an die beiden gleichermaßen wunderschönen wie umstürzlerischen literarischen Träume erinnert, die die klassenbezogene Berufsgruppe und ihren Traum gleich im Titel tragen. Beide Träume bilden eine explosive Dialektik von Traumgeschehen und Beruf – von (Un-)Bewusstsein und Sein – und evozieren ein Traumgeschehen mit Ankündigung, mit Androhung: Träume eines Küchenmädchens (wir alle kennen die „Seeräuber“-Träumerin Jenny) und der Traum des Polizeipräsidenten (aus Die Beule – Ein Dreigroschenfilm): „Hoppla!“ „Solche Träume haben Folgen.“
Gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung
Programm
Mo. 07.02.2022
Vom gelebten Traum zur erträumten Wirklichkeit
Die Werbung empfiehlt den Leuten, ihre Träume zu leben. Kritische und auch weniger kritische Stimmen dagegen fordern, dass sie aufwachen und nicht mehr träumen sollen. Könnte es vielleicht sein, dass beide Seiten heimliche Komplizen sind? Beide wollen ja keine Wirklichkeit... weiterlesen
Di. 08.02.2022
„Jede:r kann es schaffen.“ Klassenzugehörigkeit und Scham, Scham und Utopie
Herrschaftsscham? Knechtscham? Oder beides? Flucht oder Aufbruch? Brecht beginnt seine Buckower Elegien mit dem drei Jahre vor seinem Tod geschriebenen Gedicht »Der Radwechsel«. Darin heißt es: „Warum sehe ich den Radwechsel / Mit Ungeduld?“ Was ist das für ein Ort?... weiterlesen
Herrschaftsscham? Knechtscham? Oder beides? Flucht oder Aufbruch? Brecht beginnt seine Buckower Elegien mit dem drei Jahre vor seinem Tod geschriebenen Gedicht »Der Radwechsel«. Darin heißt es: „Warum sehe ich den Radwechsel / Mit Ungeduld?“ Was ist das für ein Ort? Und wo ist er: der Ort einer exponiert zweifelhaften „Ungeduld“?
Mi. 09.02.2022
Im Furchtzentrum – Die Ängste und Träume der Besiegten
„Von jetzt ab und eine ganze Zeit über / Wird es keine Sieger mehr geben / Auf eurer Welt, sondern nur mehr / Besiegte“, heißt es in Brechts Fatzer. Heiner Müller sieht hier das „Unbewusste in Aktion“. Aus dem Furchtzentrum... weiterlesen
„Von jetzt ab und eine ganze Zeit über / Wird es keine Sieger mehr geben / Auf eurer Welt, sondern nur mehr / Besiegte“, heißt es in Brechts Fatzer. Heiner Müller sieht hier das „Unbewusste in Aktion“. Aus dem Furchtzentrum wird ein Kraftzentrum. In ihrem Gespräch fragen Manfred Bauschulte und Peter Staatsmann: Wie und was können wir aus den Kraftfeldern von Ängsten und Träumen lernen? Wer sind heute die Besiegten und Deklassierten, die sich selbst oft noch als Sieger betrachten?
Do. 10.02.2022
B. B. – Die Liebe wintert nicht – Träume Lieder Lyrik
Verdammt, dieser Frauenheld! Freie Ansichten. Freies Leben. Freie Liebe. Und die Folgen? Herrliche Gedichte und wunderbare Vertonungen. GERTA STECHER erzählt, liest, singt: Brechts große, weltweit bekannten Liebeslieder, auch weniger bekannte, jedoch nicht weniger tolle Songs, und ebenso Liebesduette, für die... weiterlesen
Verdammt, dieser Frauenheld! Freie Ansichten. Freies Leben. Freie Liebe. Und die Folgen? Herrliche Gedichte und wunderbare Vertonungen. GERTA STECHER erzählt, liest, singt: Brechts große, weltweit bekannten Liebeslieder, auch weniger bekannte, jedoch nicht weniger tolle Songs, und ebenso Liebesduette, für die sich GERTA STECHER aus der Frau in den Mann verwandelt. Begleitet wird sie von dem Pianisten Andreas Wolter.
16:30 Uhr: „Blumen am Grab“, Treffpunkt: Brechts Grab, Dorotheenstädtischer Friedhof
Die Klasse, die es nicht gibt, und ihre Träume. Mittel-, Frauen-, Arbeiterklasse?
Ausgehend von Daniela Dröschers Buch »Zeige Deine Klasse« versuchen die Autorin und Ingo Schulze im Gespräch jene unterschiedlichen Selbstverständlichkeiten herauszufinden, mit denen sie aufgewachsen sind und die sie bis heute prägen. Durch den Versuch, zwei Lebenswege in Beziehung zueinander zu... weiterlesen
Ausgehend von Daniela Dröschers Buch »Zeige Deine Klasse« versuchen die Autorin und Ingo Schulze im Gespräch jene unterschiedlichen Selbstverständlichkeiten herauszufinden, mit denen sie aufgewachsen sind und die sie bis heute prägen. Durch den Versuch, zwei Lebenswege in Beziehung zueinander zu setzen, erhoffen sie sich Aufschluss über den eigenen blinden Fleck.
Fr. 11.02.2022
Träumen mit Bodenhaftung. Klassengesellschaft und ihre vermeidbaren Folgen
Micha Braun (Leipzig): Traum-Orte, Klassen-Träume. Topologien des Zukünftigen in Dudows/ Brechts Film »Kuhle Wampe« Ana Kugli (Karlsruhe): „Denn der Hoffnungslose soll fliegen“. Vom Traum, die Klassen zu überwinden Ingar Solty (Berlin): Klasse Traum. Oder: Wie der egoistische Arbeiter... weiterlesen
Micha Braun (Leipzig): Traum-Orte, Klassen-Träume. Topologien des Zukünftigen in Dudows/ Brechts Film »Kuhle Wampe«
Ana Kugli (Karlsruhe): „Denn der Hoffnungslose soll fliegen“. Vom Traum, die Klassen zu überwinden
Ingar Solty (Berlin): Klasse Traum. Oder: Wie der egoistische Arbeiter zur „Großen Ordnung“ kommt, in der „der Mensch dem Menschen ein Helfer ist“
Falk Strehlow (Berlin): Eingreifendes Träumen in Brechts Dreigroschenstoff
Sabine Kebir (Berlin): Utopie der Geschlechterverhältnisse in Brechts »Me-ti«
Hans-Joachim Schott (Leipzig): Der scheintote Mann ist der bessere Mann. Der Albtraum der Zombifizierung in Brechts Lustspiel »Mann ist Mann«
Dokumentation
Alle Streams
Vom gelebten Traum zur erträumten Wirklichkeit
Mit Robert Pfaller (zugeschaltet)
Moderation Insa Härtel
„Jede:r kann es schaffen.“ Klassenzugehörigkeit und Scham, Scham und Utopie
Mit Tanja Abou und Bettina Andrae
Moderation Falk Strehlow
Im Furchtzentrum – Die Ängste und Träume der Besiegten
Mit Manfred Bauschulte und Peter Staatsmann
Moderation Anja Quickert
Die Klasse, die es nicht gibt, und ihre Träume. Mittel-, Frauen-, Arbeiterklasse?
Mit Daniela Dröscher und Ingo Schulze
Moderation Francis Seeck
Träumen mit Bodenhaftung. Klassengesellschaft und ihre vermeidbaren Folgen
Micha Braun (Leipzig): Traum-Orte, Klassen-Träume. Topologien des Zukünftigen in Dudows/ Brechts Film »Kuhle Wampe«
Ana Kugli (Karlsruhe): „Denn der Hoffnungslose soll fliegen“. Vom Traum, die Klassen zu überwinden
Ingar Solty (Berlin): Klasse Traum. Oder: Wie der egoistische Arbeiter zur „Großen Ordnung“ kommt, in der „der Mensch dem Menschen ein Helfer ist“
Falk Strehlow (Berlin): Eingreifendes Träumen in Brechts Dreigroschenstoff
Sabine Kebir (Berlin): Utopie der Geschlechterverhältnisse in Brechts »Me-ti«
Hans-Joachim Schott (Leipzig): Der scheintote Mann ist der bessere Mann. Der Albtraum der Zombifizierung in Brechts Lustspiel »Mann ist Mann«

Tanja Abou ist Sozialarbeiterin B. A., queere Poverty-Class-Akademikerin, Social-Justice-Trainerin, Care-Leaverin, Gründungsmitglied des Instituts für Klassismusforschung, systemische Therapeutin, DJ, gleichzeitig Lehrbeauftragte und Studentin sowie Kinderbuchautorin. Das alles, weil es sich biographisch/aktivistisch irgendwie so ergeben hat und vielleicht auch aus Trotz, weil es statistisch nur schwer möglich sein sollte, als Heimkind Akademikerin zu werden. Gerade hat sie ihre Masterarbeit zum Thema „Erinnern und Erinnert-Werden in den stationären Hilfen zur Erziehung” abgegeben, bei der Interviews mit ihren ehemaligen Erzieher*innen im Zentrum stehen. Tanja Abou lebt und arbeitet in Berlin, wenn noch Zeit bleibt, schreibt und zeichnet sie darüber.

Bettina Andrae ist Coach für Akademiker, Erstakademiker, Künstler und weibliche Führungskräfte. Ab Ende der 90er Jahre stand sie regelmäßig auf den Berliner Lesebühnen. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2020 stellte Bettina Andrae für die Berliner SPD den Antrag, innerhalb der Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetze „Klassismus“ als Diskriminierungskategorie anzuerkennen und aufzunehmen. Ihr politisches Engagement auf diesem Gebiet gründet auf ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung als Coach mit ihrer Klientel.

Als Soziologe, Religions-, Kultur- und Literaturwissenschaftler forscht Manfred Bauschulte zu Personen und deren Werk aus der Kunst- und Wissenschaftsgeschichte der Moderne. Beispiele dafür sind: Henri Michaux, René Char, Karl Prantl, Klaus Heinrich. An der Ruhr-Universität Bochum lehrte er zu den Themenschwerpunkten: Schrift und Kommunikation, Mythen und Symbole, Opferpraktiken und -theorien. Seit 2010 ist Manfred Bauschulte wieder freiberuflich als Autor und Übersetzer tätig. Titel seines Schaffens sind: „Henri Michaux. Autor und Artist“ (2020), René Char. Poet und Partisan – Eine Biographie“ (2017), „Versuch über die Festigkeit. Die Steinkunst von Karl Prantl“ (2014), „Über das Ende der neolithischen Revolution. Gespräche und Versuche mit Klaus Heinrich“ (2012).

Als Vize-Präsident der „International Brecht Society“ ist Micha Braun ein interdisziplinär agierender Brecht-Forscher. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leipziger Institut für Theaterwissenschaft und Geschäftsführer des „Centre of Competence for Theatre“ an der Universität Leipzig. Braun publiziert zu Praktiken der Wiederholung, des Erinnerns und Erzählens in den darstellenden und bildenden Künsten. Er ist Mitherausgeber des Brecht-Jahrbuchs 45 sowie des Brecht-Yearbook 45 und 46 (2020/21). Zuletzt publizierte er in „ecibs: Communications of the International Brecht Society” den Aufsatz: „Be a gangster! Krisenerfahrung und Souveränität in Brechts ‚Dreigroschenoper‘ und Greenaways ‚The Cook, The Thief, His Wife & Her Lover‘“.

Daniela Dröscher ist eine Schriftstellerin, Journalistin und Herausgeberin. Sie schreibt Prosa, Theatertexte und Essays. Gemeinsam mit Michael Ebmeyer veranstaltet sie im ACUD-Studio Berlin die Gesprächsreihe „Let’s talk about class – Wege aus dem Klassenkrampf“. Ihr autobiographischer Essay „Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft“ ist ein Meilenstein in der klassismuskritischen Debatte von Gegenwart und Zukunft. Daniela Dröscher ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. 2021 war sie Mitherausgeberin von „Soll & Habitus“, einer Textsammlung von Gegenwartsautor*innen mit der thematischen Fokussierung auf ein monetäres Leben unter der Überschrift „Was kostet die Welt?“

Insa Härtel ist Professorin für Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kulturtheorie und Psychoanalyse an der International Psychoanalytic University Berlin (IPU). Sie ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in einer niedergelassenen Praxis (BAG) in Hamburg. Schwerpunkte ihrer kulturwissenschaftlichen Arbeit bilden psychoanalytische Kunst- und Kulturtheorie sowie Sexualitäts- und Geschlechterforschung. Sie ist Redakteurin beim RISS und veröffentlichte unter anderem den Titel: „Kinder der Erregung. ‚Übergriffe‘ und ‚Objekte‘ in kulturellen Konstellationen kindlich- jugendlicher Sexualität“ (2014). Jüngste Herausgabe: „Reibung und Reizung. Psychoanalyse, Kultur und deren Wissenschaft“ (2021).

Sabine Kebir ist Autorin von Sachbüchern, Belletristik, Kinder- und Jugendbüchern. Sie schreibt Essays über kulturelle, literarische und gesellschaftspolitische Zeitphänomene. Als Literaturwissenschaftlerin hat sie die letzten Jahrzehnte der Brecht-Forschung maßgeblich mit beeinflusst. Herausragende Titel von ihr sind: „Frauen ohne Männer? Selbstverwirklichung im Alltag – Elfriede Brüning“ (2016), „Mein Herz liegt neben der Schreibmaschine. Ruth Berlaus Leben vor, mit und nach Bertolt Brecht“ (2006), „Abstieg in den Ruhm. Helene Weigel – Eine Biographie“ (2000), „Ich frage nicht nach meinem Anteil. Elisabeth Hauptmanns Arbeit mit Bertolt Brecht“ (1997), „Eine Bovary aus Brandenburg“ (1991), „Ein akzeptabler Mann? Streit um Bertolt Brechts Partnerbeziehungen“ (1987). Sabine Kebir ist Mitglied der International Brecht-Society, der International Gramsci-Society, des Deutschen PEN-Zentrums sowie von „Sinn und Form“ im Brecht-Haus Berlin.

Ana Kugli ist wissenschaftliche Autorin und Texterin. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der „Arbeitsstelle Bertolt Brecht“ in Karlsruhe war sie maßgeblich am von Jan Knopf herausgegebenen Brecht-Handbuch (2001-2003) beteiligt. Sie ist Mitherausgeberin des 2006 erschienenen Brecht-Lexikons. Weitere Titel von ihr sind: „Gelegentlich: Brecht. Jubiläumsschrift für Jan Knopf zum 15- jährigen Bestehen der Arbeitsstelle Bertolt Brecht“ (2004) (Mhg.), „Feminist Brecht? Zum Verhältnis der Geschlechter im Werk Bertolt Brechts“ (2006), „Frauenwahlrecht“ (2020). Unter dem Namen „Wortkultur“ ist Ana Kugli freiberuflich als Texterin und Trainerin im Bereich Kommunikation tätig.

Der österreichische Philosoph Robert Pfaller lehrt an der Kunstuniversität Linz zu Fragen und Antworten der Kulturtheorie. Dabei beschäftigen ihn vor allem Kulturtechniken im Umgang mit Lust, Sprache, Magie und Solidarität. Er ist Gründer der europäischen Initiative „Adults for Adults“, die sich gegen eine infantilisierende „Pseudopolitik“, „Biopolitik“, „bevormundende Politik“ einsetzt, sowie Gründungsmitglied der Wiener Forschungsgruppe für Psychoanalyse „stuzzicadenti“. Neben dem 2011 erschienenen Titel „Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie“ macht er vor allem in „Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur“ von 2017 darauf aufmerksam, dass die in unserer Welt des Privatkapitals unter der Überschrift von Moral und Inklusion herrschenden Benimmregeln Exklusion und Entsolidarisierung bedeuten.

Anja Quickert ist Autorin und Dramaturgin. Sie schreibt für „Theater heute“ Beiträge mit den Schwerpunkten: internationales Theater, Freie Szene, Kulturpolitik. Für die Homepage des Goethe-Instituts verfasst sie Beiträge zu Partizipation im Theater, institutionellem Wandel des Maxim-Gorki-Theaters Berlin, Digitalem Theater. An der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz sowie am HAU Hebbel am Ufer hat sie zahlreiche projektbezogene Veranstaltungen organisiert. Anja Quickert ist Geschäftsführerin der „Internationalen Heiner Müller Gesellschaft“. 2020 inszenierte sie am HAU: „Laibach. Wir sind das Volk – ein Musical“ nach Texten von Heiner Müller. Seit 2018 ist sie Teil der DFG-Forschergruppe „Krisengefüge in den Künsten“ sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim.

Als Professor für Sozialphilosophie im Fachgebiet Soziale Arbeit an der „IU Internationale Hochschule“ (Leipzig) forscht Hans-Joachim Schott zu folgenden Schwerpunkten: Ästhetik der Tragödie, Episches Theater, Literatur- und Kulturtheorie der Weimarer Republik und der Postmoderne, Geschichte der (Sozialen) Arbeit, Schnittstellen von Natur-, Kultur- und Sprachphilosophie, Zusammenhänge von Naturgeschichte und Körpergedächtnis, Ökosophie. Exemplarische Titel dafür sind: „‚Unterm Kleid seid ihr nämlich alle nackt ...‘ Kynismus, Ideologiekritik und Interpretationismus beim jungen Brecht (1913-1931)“ (2012), „Der unteilbare Andere. Studien zur literarischen Reflexion psychotischer Grenzerfahrungen“ (2020).

Neben seinen Aktivitäten als Mitbegründer des „Altenburger Wochenblatts“ sowie seinen vielfältigen Formen publizistisch-politischer Einmischungen in die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse ist Ingo Schulze vor allem mit seinem literarischen Werk in Erscheinung getreten. Er ist Mitglied der Akademie der Künste sowie des PEN- Zentrums. 2013 erhielt Ingo Schulze den Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg. Bedeutende Titel seines Werkes sind: „Simple Storys. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz“, „Unsere schönen neuen Kleider. Gegen die marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte“, „Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst.“

Francis Seeck ist Sozialwissenschaftler*in und Antidiskriminierungstrainer*in. Seeck forscht und lehrt zu Klassismus und sozialer Gerechtigkeit, nach einer Vertretungsprofessur für Soziologie und Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule Neubrandenburg nun als Post-Doc an der HU Berlin. 2020 gab Seeck den Sammelband „Solidarisch gegen Klassismus“ mit Brigitte Theißl heraus. Im März 2022 erscheint die Streitschrift „Zugang verwehrt – Keine Chance in der Klassengesellschaft: wie Klassismus soziale Ungleichheit fördert“.

Ingar Solty ist Sozial- und Literaturwissenschaftler. Er arbeitet als Referent für Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: internationale politische Ökonomie, politische Soziologie, politische Ästhetik. 2015 gründete er gemeinsam mit dem Schriftsteller Enno Stahl das Schriftsteller*innen-Netzwerk „Richtige Literatur im Falschen“. Seine letzten Buchveröffentlichungen als Mitherausgeber sind: „Literatur im politischen Kampf“ (2021), „Auf den Schultern von Karl Marx“ (2021), „Literatur in der neuen Klassengesellschaft“ (2020), „Richtige Literatur im Falschen? Schriftsteller – Kapitalismus – Kritik“ (2016).

Peter Staatsmann ist Theaterregisseur und -intendant, Autor, Übersetzer, Herausgeber und Dramaturg. Assistenzen und Dramaturgien führten ihn zusammen mit Dimiter Gotscheff, B. K. Tragelehn, Frank Castorf und Wolfgang Engel. Er ist seit vielen Jahren Autor eigener Stücke, die oft in Ensemblearbeit entwickelt werden und Regisseur, u. a. auch an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, am Landestheater Tübingen sowie am Deutschen Theater Berlin. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, der Bayerischen Theaterakademie, der Universität der Künste Berlin sowie der Universität Leipzig. Gemeinsam mit Bettina Schültke leitet Peter Staatsmann seit 2013 sein eigenes Ensemble am „Zimmertheater Rottweil“. 2015 erschien von ihm der Titel: „Theater des Unbewussten. Der selbstanalytische Prozess im Schreiben Heiner Müllers“.

Gerta Stecher betätigt sich als Diseuse, Journalistin, Fotografin, Regisseurin, Kamerafrau, Dramaturgin und Autorin. Die produktive Verknüpfung dieser Tätigkeitsfelder steht im Mittelpunkt ihres Schaffens. Neben Friedrich Hollaender, Georg Kreisler und Erich Kästner widmet sie sich vor allem Bertolt Brechts lyrischem Werk. Dabei geht es ihr um dessen Übersetzung in Stimme, Musik, Körper. Die Chansonwerkstatt von Johanna Arndt im Brecht-Weigel-Haus in Buckow wurde für sie zu einem Ort der bühnenbezogenen Brecht-Interpretation. Nach ihrer musikalischen Inszenierung einer Übersprungshandlung zwischen Mann und Frau: „SOLO im DUETT von 2011 und ihrem Chanson-Programmen: „BRECHTs links und rechts“ von 2014 entsteht 2018 das „Literarisch-musikalische Programm Bertolt Brecht – Die Liebe wintert nicht – Lieder&Lyrik“.

Falk Strehlow ist Autor, Herausgeber und Dramaturg, Literatur- und Kulturwissenschaftler. Anhand von Brechts Lehrstückkonzeption leitete er im Theaterhaus Mitte das Inklusionstheater „Weiberbrigade“ nach Inge Müller mit geistig, körperlich und psychosozial eingeschränkten Jugendlichen. 2017 war er Initiator und Dramaturg von Brechts/Eislers: „Die Maßnahme“ auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor der Volksbühne Berlin unter der musikalischen Leitung von Marcus Crome. Buchtitel von Falk Strehlow sind: „Balke. Heiner Müllers ‚Der Lohndrücker‘ und seine intertextuellen Verwandtschaftsverhältnisse“ (2006), „Freiheit & Rauschen. Zwei Essays“ (2011), „Denkverläufe im Vergleich. Goethe und Kleist, Kafka und Brecht“ (2016), „Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung. Fragen an Heiner Müller“ (2021) (Hg.).

Andreas Wolter ist ein Pianist, Organist, Musikproduzent und Komponist. Seit seinem Musikstudium an der Hochschule der Künste Berlin gibt er Solokonzerte, musiziert mit Orchestern und begleitet Sänger und Sängerinnen. Die Philharmonie Berlin und der Französische Dom sind ihm dabei ebenso willkommene Bühnen wie Seniorenheime. Immer wieder widmet er sich der Instrumentierung von Brecht-Texten, z. B. in dem Brecht-Weill-Programm mit Anne Boerd: „Denn wie man sich bettet, so liegt man“. In dem Lied-Programm: „ROT bis ROSAROT – Lieder im Wonnemonat Mai“, in der musikalischen Inszenierung einer Übersprungshandlung zwischen Mann und Frau: „SOLO im DUETT“, in: „Bertolt Brecht – Die Liebe wintert nicht“ begleitet er Gerta Stecher bei ihren vielfältigen Brecht-Interpretationen.
Tagung
Der Zeitplan für die Tagung am Freitag, 11.02.2022 findet sich im →Flyer.