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Neuigkeiten
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Test School Neuigkeit
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Termine: 14.1., 21.1., 28.1., 4.2. von 16:00 bis 18:00 Uhr
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Eintritt frei! Um Anmeldung über campus@lfbrecht.de wird gebeten. Ticket:
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Klimawandel, Überwachung, ein entfesselter Kapitalismus – wo gegenwärtige Zustände vorwiegend in Form permanenter Krisenhaftigkeit gedacht werden, bleibt auch die Zukunft nicht verschont. Utopische Entwürfe werden rar, vielmehr dominieren Schreckensszenarien den Diskurs: Dystopien haben im Moment Hochkonjunktur. Auch die Literatur der Gegenwart wendet sich in verstärkt dystopischen, anti-utopischen Szenarien zu: sie erzählt vom Verlust der Identität im digitalen Zeitalter, von totaler Ausbeutung menschlicher Arbeit und künstlerischer Kreativität, vom Verschwinden der Meere in apokalyptischen Welten. Wie ist diese Lust am Dystopischen zu verstehen? In welchen literarischen Formen tritt sie auf? Lässt sich in ihnen die Gegenwart samt ihren Ängsten verstehen? Das Seminar wird sich diesen offenen Fragen anhand aktueller und historischer Dystopien nähern: anhand von theoretischen Texten zur Utopie und Dystopie (Ernst Bloch, Mark Fisher), klassischen und neueren Science Fiction-Erzählungen (Philip K. Dick, Ursula K. Le Guin, Chen Quifan) sowie anhand von Leif Randts Roman „Planet Magon“ soll die Gegenwärtigkeit negativer Zukunftsentwürfe diskutiert werden.
(Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.)
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Termine: 15.1., 22.1., 29.1., 5.2., 12.2., 19.2. von 16:00 bis 18:00 Uhr
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© Benjamin: gemeinfrei. Adorno: Jeremy J. Shapiro (Ausschnitt) |
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Die Unterscheidung von „Massenkultur“ und „Kulturindustrie“ steht nicht nur für die semantische, sondern auch für die sachliche Differenz, in der es um die theoretische Bestimmung und die politische Bewertung der ‚Ästhetisierung des Sozialen‘ im 20. Jahrhundert geht. Diese Differenz konzentriert sich in der Frage, ob die Technisierung oder die Ökonomisierung des Ästhetischen das entscheidende Moment einer Vergesellschaftung ist, die nicht im paradigmatischen Horizont der Religion steht. Das korrespondiert wiederum mit der theoretischen Unterscheidung von „Versachlichung“ und „Verdinglichung“, die eine zentrale Dimension in der Diskussion zwischen Theodor W. Adorno und Walter Benjamin über dessen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ bildet. Benjamin hatte die Transformation der Erfahrung in den urbanen Lebenswelten als Einübung der Individuen in die artifiziellen Wirklichkeiten der Moderne gedeutet und das massenkulturelle Leitmedium Film als technisch fundiertes Medium dieser Einübung verstanden. Historischer Effekt dieser Transformation sollte ein neuer, nach-bürgerlicher Subjektivitätstyp sein, der diesen Wirklichkeiten sensorisch und habituell gewachsen war, weil sie ihm nicht als menschenfremde Objektivität verdinglichter Weltverhältnisse gegenüberstanden. Adorno hingegen hat die kulturindustrielle Ökonomisierung des Ästhetischen zusammen mit Max Horkheimer als Vollendung verdinglichter Weltverhältnisse gedeutet, in der sich das Total-Werden der Gesellschaft manifestierte, das zur organisierten Abschaffung des Individuums führte. Die Übertragung der Warenstruktur auf das Ästhetische bedeutete schließlich nicht nur seine Kommerzialisierung, sondern die definitive Negation seiner Autonomie, wodurch die Aufklärung um ihren emanzipatorischen Gehalt gebracht und vollends auf die kollektive Selbsterhaltung der Gattung reduziert wurde.
(Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.)
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Sitzungen: 10.6., 17.6., 24.6., 1.7., 8.7. 16-18:00 Uhr
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© Hans Holbein der Jüngere: Noli me tangere (Gemäldeausschnitt), 1524 |
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Seminarleitung: Antonio Lucci und Nicola Zambon
Contact und contagious, contatto und contagio: die englische und die romanischen Sprachen weisen gemeinsame etymologische Wurzeln von zwei Begriffen auf, Berührung und Ansteckung, die miteinander deutlich verzahnter sind, als wir es noch bis vor kürzester Zeit wahrnehmen konnten. Doch der naturwissenschaftliche Befund, eine Krankheit könne sich auch durch Berührung verbreiten, ist eine späte Entdeckung, die sich erst am Ende des 19. Jahrhunderts als medizinisches Paradigma zwei anbrechender Disziplinen etablieren konnte: die Epidemiologie zum einen, die Massenpsychologie zum anderen. Von Le Bon über Tarde, Freud und Canetti bis zu Sloterdijk wird die Masse zum Ort einer ‚emotionalen Ansteckung‘, die sich wie ein Virus durch den sozialen Körper verbreitet und hiermit auch die Geister infiziert. Die klinische Metaphorik verweist wiederum auf die negativen Züge, die die Menschenmasse im modernen Diskurs annimmt: Sie meint einen Organismus, der infektiös ist, der das Individuum in seinen Sog hereinzieht und es in sich auflöst. Einem Bruchteil dieser Kulturgeschichte der Massenansteckung widmet sich unser Seminar. Anhand der Lektüre der Texte von Sigmund Freud, Elias Canetti, Michel Foucault, Susan Sontag, gehen wir der Ansteckungsmetaphorik in der Entstehung des Massendiskurses nach; darüber hinaus fragen wir uns nach der zentralen Bedeutung von Berührung, Berührungslosigkeit, Berührungsangst, die eine zentrale Rolle im Massendiskurs einnehmen und uns heutzutage schmerzlich präsent geworden sind.
Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.
Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Das Seminarangebot versteht sich aus gegebenem Anlass unter Vorbehalt. Bitte die aktuellen Hinweise zum eingeschränkten Publikumsverkehr beachten.
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Sitzungen: 29. und 30.6. 11:30-17 Uhr
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Seminarleitung: Jenny Kellner
Der französische Autor Georges Bataille, in Deutschland vor allem für seine erotischen bis pornographischen Erzählungen bekannt, war nicht nur Literat, sondern auch Kritiker, Essayist und Philosoph. Seine Theorie einer „allgemeinen Ökonomie“ findet heute, angesichts der Sackgassen, in die eine bereits als Ende der Geschichte deklarierte Weltwirtschaftsordnung zunehmend gerät, verstärktes Interesse. Die allgemeine Ökonomie Batailles unterscheidet sich von jeder „beschränkten“ Ökonomie (zu welcher Bataille auch die marxistische rechnete) durch ihren Ausgangspunkt, ihr oberstes Prinzip: den Überschuss. Während die beschränkten Ökonomien stets vom Mangel ausgehen, von einer Not, gegen die ‚anproduziert‘ werden müsse, geht die allgemeine Ökonomie vom Überschuss aus, der verschwendet, das heißt: unproduktiv verausgabt werden muss.
Aus dieser Konstellation erwächst eine spannende Perspektive auf die Frage nach Knechtschaft und Subordination auf der einen und Emanzipation und Subversion auf der anderen Seite. Die Ausrichtung am Produktiven, am Nützlichen und Guten zwingt ein Zweck-Mittel-Verhältnis auf, das unweigerlich in die Knechtschaft führt. Bereits Friedrich Nietzsche hatte das erkannt. So wundert es nicht, dass gerade Nietzsche – neben Hegel, aber anders als Hegel – den wichtigsten philosophischen Bezugspunkt im Denken Batailles bildet. Bataille hat sich in ungebührlichem Maße mit Nietzsche identifiziert: er wollte Nietzsche nicht verstehen, er wollte Nietzsche sein. Nietzsche ist in Batailles Gesamtwerk, nicht bloß in den explizit Nietzsche gewidmeten Schriften, omnipräsent. Was Bataille an Nietzsche fand, lässt sich auf folgende Formel bringen: Nietzsche entwickelte ein Denken, dass sich in jeder Hinsicht weigerte zu dienen.
In diesem Kurzseminar soll dem Problem der Knechtschaft anhand einiger ausgewählter Schriften Nietzsches und Batailles auf den Grund gegangen werden. Inwiefern werden wir durch Zweck-Mittel-Relationen, selbst wenn wir selber die Zwecke setzen, versklavt? Wie sieht ein Denken aus, das sich weigert zu dienen? Welche Einsichten kann uns die Nietzsche-Lektüre Batailles in Bezug auf das kommunistische Projekt des Marxismus bescheren? Wenn wir historisch längst nicht mehr vor der Alternative Kapitalismus oder Kommunismus stehen, so stehen wir zweifelsohne schon lange und heute mehr denn je vor der Alternative Autoritarismus oder Subversion. Mit Bataille und Nietzsche votieren wir für die letztere.
Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.
Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Das Seminarangebot versteht sich aus gegebenem Anlass unter Vorbehalt. Bitte die aktuellen Hinweise zum eingeschränkten Publikumsverkehr beachten.
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Sitzungen: 26.10., 2.11., 9.11., 16.11. von 16-18 Uhr
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© Paula Modersohn-Becker (1906) |
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Eintritt frei! Anmeldung über campus@lfbrecht.de erforderlich Ticket:
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Erzählungen von Freundschaft zwischen Frauen haben in der zeitgenössischen Literatur Konjunktur. Gleichzeitig lässt sich auch im akademischen Diskurs über Freundschaft – in den Literatur- und Kulturwissenschaften, der Philosophie und Soziologie – eine feministische Neuverhandlung eines Themas beobachten, das über Jahrhunderte hinweg eher männlich geprägt war. Das Seminar möchte dem Phänomen der Freundinnenschaft auf den Grund gehen, indem es zum einen die Vergangenheit und Entwicklung seiner Tradition schlaglichtartig beleuchtet und zum anderen seine gegenwärtigen literarischen und filmischen Verhandlungen untersucht.
Im ersten Teil des Seminars nehmen wir uns exemplarisch klassische Theorien der Freundschaft im Hinblick auf die Auslassung der weiblichen Perspektive vor (Aristoteles, Michel de Montaigne, Siegfried Kracauer). Anschließend besprechen wir anhand von ausgewählten Beispielen aus der englischen Literatur vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert, welchen Restriktionen Darstellungen von Freundschaften zwischen Frauen in der Erzählliteratur unterliegen und suchen nach ihren literarischen Manifestationen zwischen Inspiration, Nähstube, Erotik, Komplizinnenschaft und intellektuellem Austausch. Mit einem an der (Literatur-)Geschichte geschärften Blick nähern wir uns dem Topos im zweiten Teil des Seminars anhand einschlägiger Romane des 20. Jahrhunderts: U.a. Toni Morrisons »Sula« (1973). In der interdisziplinär ausgerichteten letzten Sitzung untersuchen wir Beispiele aktueller literarischer Verhandlungen weiblicher Freundschaft: Zadie Smiths »Swing Time« (2016) und Sally Rooneys »Conversations with Friends« (2017). In diesem Abschnitt werden wir die Fragestellung auch zu filmischen Interpretationen hin öffnen. Dabei soll die Frage im Zentrum stehen, welche Ideen von weiblicher Freundschaft vermittelt werden – aber auch, was diese literarischen Netzwerke uns über die Rolle von Freundinnenschaft in einer neoliberalen Arbeitswelt, über Konkurrenz, Wissensaustausch und ökonomische Schulterschlüsse verraten.
Seminarleitung: Leonie Achtnich und Marlene Dirschauer
Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.
Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Für den Besuch unserer Räume bitte die folgenden Hinweise zum Publikumsverkehr beachten.
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Anmeldung bis 4.6., 12 Uhr über campus@lfbrecht.de Ticket:
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In der Klimabewegung ist heute oft die Rede davon, man solle sich nicht mit den Systemdebatten des 20. Jahrhunderts aufhalten, sondern ‚nach vorn gewandt‘ über gesellschaftliche Veränderungen nachdenken. Das klingt in Anbetracht der verheerenden Umweltbilanz der sozialistischen Staaten auf den ersten Blick sehr vernünftig. Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich die ökologische Krise der Gegenwart ohne Kapitalismuskritik verstehen lässt. Oder anders ausgedrückt: Was oder wer ist eigentlich der Antreiber der fortgesetzten Naturzerstörung?
In der Seminarreihe wird diskutiert, inwiefern Eingriffe in die Eigentums- und Klassenverhältnisse unverzichtbar sind, um auf die Klimakrise zu antworten. Warum sprechen ökosozialistische Theoretiker*innen vom „Kapitalozän“? Eröffnen die Marx'schen Analysen des menschlichen Stoffwechsels mit der Natur eine Möglichkeit, Gesellschafts- und Naturverhältnisse systematisch zusammen zu denken? Und was hat es mit dem sogenannten „Weltökologie“-Ansatz auf sich?
Zunächst werden wir über einen ökosozialistischen Politikansatz, den „grünen“ Marx und Jason Moores Thesen zum „Kapitalismus im Netz des Lebens“ sprechen. In der letzten Sitzung geht es zusammen mit Julia Kaiser von Students for Future um sozialökologische Bündnisse und die Frage, wie Gewerkschaften und Klimabewegung zusammenkommen können.
Seminarleitung: Raul Zelik
- Termine: 11./18./25. Juni 2021 (letzter Termin als Doppelsitzung)
- Uhrzeit: 15-17 Uhr (Doppelsitzung von 13-17 Uhr)
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de
- Die Teilnehmer*innenzahl ist auf 20 beschränkt.
- Das Seminar ist als Präsenzveranstaltung geplant. Bei gutem Wetter draußen, im Hof des Brecht-Hauses, bei schlechtem Wetter drinnen. Für die Teilnahme an jeder Sitzung ist ein tagesaktuelles, negatives Testergebnis vorzuweisen. Über das Hygienekonzept wird vor Ort informiert. Sollte die Durchführung vor Ort pandemiebedingt nicht möglich sein, wird das Seminar digital stattfinden.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Mit freundlicher Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung
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© Symbol der „Lohn für Hausarbeit“-Flugblätter der 1970er Jahre |
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Die Corona-Pandemie hat die Krise der Care-Arbeit verschärft: In Krankenhäusern mangelt es an Pflegepersonal, die bisherigen Pfleger:innen sind überarbeitet und schlecht bezahlt. Angehörige von Menschen mit Behinderungen müssen während der Schließung von Einrichtungen deren Betreuung und Pflege übernehmen. Eltern verzweifeln an der Anforderung, im Homeoffice ihren Dienst zu erfüllen und zugleich kleinere Kinder zu betreuen oder größere im Homeschooling anzuleiten. Vor diesem Hintergrund setzen verschiedene politische Akteur:innen den Zusammenhang von Gender und Care wieder auf die Tagesordnung. Sie fordern eine Care-Gesellschaft, eine Care-Economy oder eine Care-Revolution. Ziel des Seminars soll es sein, diese politischen Befreiungsprojekte und die spezifischen Gesellschaftskritiken gemeinsam zu diskutieren, von denen sie ihren Ausgang nehmen. Wir werden uns zum einen mit einer Reihe materialistischer und feministischer Texte beschäftigen, die sich mit dem Verhältnis von unentlohnter Sorgearbeit und Lohnarbeit auseinandersetzen. Silvia Federicis Manifest „Lohn gegen Hausarbeit“ (1975) sowie Gisela Bocks und Barbara Dudens historische Analyse der Haus- und Sorgearbeit „Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit“ (1977) sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Zum anderen werden wir jedoch auch konkrete politische Kampagnen wie „Wages for Housework“ behandeln, die bereits in den 1970er-Jahren die Haus- und Sorgearbeit als Voraussetzung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse anprangerten. Anschließend wollen wir uns mit Hilfe von Gabriele Winkers „Care Revolution. Schritte in eine solidarische Gesellschaft“ (2015) mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern sich die gesellschaftlichen Bedingungen in den vergangenen 50 Jahren verändert haben und wo die Analysen der 1970er Jahre daher zu modifizieren wären. Auch hier wollen wir uns mit konkreten Flugblättern, Aufrufen und Manifesten auseinandersetzen, die heute eine bedürfnisorientierte Neugestaltung der Gesellschaft fordern. Die Teilnehmer:innen sind eingeladen, weitere Flugblätter und Aufrufe zum Thema mitzubringen.
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© Moira Ricci / LaVeronica Contemporary Art Gallery
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Kaum eine menschliche Beziehung ist so komplex wie die zwischen Mutter und Tochter. Denn kaum eine ist so eng. Mütter und Töchter unterstützen und verletzen sich, sehnen sich nach gegenseitiger Nähe und ringen um Abgrenzung. In unserem Seminar diskutieren wir zwei literarische Darstellungen dieser sozialen Beziehung – Elena Ferrantes Lästige Liebe (1992) und Annie Ernaux’ Eine Frau (1987).
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© Carl Spitzweg - Der Kaktusfreund |
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Unsere Zivilisation ist beherrscht vom Privateigentum: Jedes Ding und jeder Gegenstand gehört jemandem, alles ist wie unsichtbar mit einem Namen bedruckt. Das private Eigentum ordnet alles irgendjemandem zu, egal ob das mein Lieblingsfüller ist, mit dem ich seit Jahren jeden Tag schreibe oder eine Aktie, die mir fiktiv ein Eigentum an irgendeinem Konzern auf einem anderen Kontinent bedeuten soll. Es gibt in dieser Welt des brüllenden Privateigentums aber nach wie vor andere Formen, Dinge zu besitzen, und diesen anderen, intimeren, geteilteren, feineren Formen des Eigentums wollen wir in diesem Seminar nachgehen. Hierzu werden wir z.B. Texte von Ursula Le Guin, Silvia Federici und Karl Marx lesen.
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„Amo heißt volo, ut sis, sagt einmal Augustinus: ich liebe Dich – ich will, daß Du seiest, was Du bist.“ Diesen außergewöhnlichen Satz schreibt Heidegger am 13. Mai 1925 an seine Studentin – und Geliebte – Hannah Arendt. Wie grundlegend für Heidegger das Augustinus Zitat war, zeigt, dass er sich nicht nur in der persönlichen Korrespondenz auf diese Formulierung beruft, sondern auch in Vorlesungen und Notizen über Hegel, Schelling oder Nietzsche. Auch Arendt hat das Zitat ein Leben lang begleitet: Von ihrer Doktorarbeit bis zum Spätwerk geht sie mit feinem Gespür für die Ambivalenz der Formulierung der Frage nach, was volo ut sis eigentlich bedeute. Das vernichtende Urteil aus der Jugendzeit weicht zunehmend einer zustimmenden Auslegung, die schließlich in der so verstandenen Liebe die höchste Form der Bejahung entdeckt: „The highest form of recognition is love: volo ut sis.“
In diesem Seminar wollen wir die „Liebesformel“ und ihre unterschiedlichen Auslegungen zum Ausgangspunkt nehmen, um anhand des Dialoges, den Arendt mit Heidegger ein halbes Jahrhundert lang führte, selbst darüber nachzudenken, was Liebe ist und wie sie sein soll.
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© Still aus dem Film „Donna Haraway: Story Telling for Earthly Survival“ (2016)
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Zur Bewältigung der Klimakrise, der politischen und sozio-ökonomischen Verhältnisse der Gegenwart findet ein vernetzendes und verflechtendes Denken immer mehr Verbreitung. Es geht um ein Denken, das der Arbeit an komplexen Weltzusammenhängen gerecht werden möchte, indem es die Multiplizität dieser Vorgänge in sich aufnimmt – um Geschichten für eine andere Zukunft zu erzählen. Eine der prominentesten Vertreter:innen eines solchen hybriden Denkens ist die US-amerikanische Philosophin, Naturwissenschaftshistorikerin und Feministin Donna Haraway. Sie setzt sich für eine Form des Geschichtenerzählens ein, das tentakulär agiert – seine vielen Tentakeln wie ein Oktopode in alle Richtungen ausstreckt und damit über die Grenzen der Disziplinen hinausgeht. Für Haraway geht es dabei nicht um eine kosmetische Oberflächenkorrektur: In Anbetracht von Klimakrise und globalen Verflechtungen müssen wir, so Haraway, unser Weltverhältnis grundlegend ändern, ein ‚anderes Worlding‘ etablieren und auch unsere Begriffe überdenken. Dem ‚Anthropozän‘ stellt sie das ‚Chthuluzän‘ entgegen, das mehr leisten möchte als das ‚Kapitalozän‘, das die ökonomische Kritik des ‚Anthropozäns‘ darstellt.
Diese Konzepte und vieles mehr wollen wir in einem zweiteiligen Blockseminar untersuchen und uns dabei nicht nur Haraways Denken nähern, sondern es auch als Praxis begreifen, zu der wir selbst Stellung beziehen. Neben der Lektüre und Diskussion ausgewählter Textstellen wollen wir uns in einem gemeinsamen Schreibworkshop die Frage stellen, was ‚Geschichten erzählen‘ im Sinne Haraways bedeutet und welche affirmativen und widerständigen Praktiken sich hieraus für uns und die gegenwärtigen, politischen Herausforderungen ergeben.
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Die Autofiktion ist Hoch im Kurs. Ob Annie Ernaux, Édouard Louis oder Didier Eribon, sie hat momentan das Potenzial zum Bestseller. Dabei ist sie eine zwittrige Gattung. Sie changiert zwischen fiktionalem und faktualem Erzählen, zwischen Memoir und Erfindung, Wirklichkeit und Täuschung. Das Erzählte wird verbürgt mit dem Namen der Autor*in. Das eigene Leben, aber als Roman?
Im ersten Teil des Workshops werden wir uns mithilfe von literaturtheoretischen Texten der Erzählform der Autofiktion nähern. Welche Möglichkeiten bietet sie, ästhetisch wie politisch? Ist sie Spaß oder Ernst? Wie spielt und bricht die Autofiktion mit dem voyeuristischen Blick der Leser*in? Welche Grenzen hat sie? Und wie ist das Verhältnis zwischen Autor*in und Erzähler*in? Anhand von Textauszügen aus Marguerite Duras‘ „Der Schmerz“, Annie Ernaux‘ „Erinnerungen eines Mädchens“ und Isabelle Lehns‘ „Frühlingserwachen“ werden wir uns diesen Fragen nähern. Wir werden auch darüber sprechen, wie sich die Fragen unterscheiden, je nachdem, ob wir aus Leser*innen-, Kritiker*innen- oder Autor*innenperspektive auf die Autofiktion schauen.
Für den zweiten Teil des Workshops werden die Teilnehmer*innen eigene (autofiktionale) Texte produzieren, die wir gemeinsam diskutieren.
Ronya Othmann lebt und arbeitet in Leipzig als freie Journalistin und Autorin. Bis August 2020 schrieb sie für die taz gemeinsam mit Cemile Sahin die Kolumne „OrientExpress“ über Nahost-Politik. Seit 2021 schreibt sie für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Kolumne „Import Export“. 2020 erschien ihr Roman „Die Sommer“, 2021 folgte ihr Gedichtband „die verbrechen“.
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Kaum ein Begriff erwies sich in den gesellschaftsdiagnostischen Debatten der vergangenen Jahre so erfolgreich und anschlussfähig wie der von dem Soziologen Andreas Reckwitz geprägte Begriff der ‚Neuen Mittelklasse‘. Die Bezeichnung überzeugt in Journalismus, Kultur und Wissenschaft wohl nicht zuletzt deshalb, weil er ihnen eine besondere gesellschaftstragende Relevanz zuspricht und überhaupt die Selbstbilder bestimmter Milieus zu bestätigen scheint. Darüber hinaus steht der Begriff in einer langen Tradition der Selbstbeschreibung der deutschen Gesellschaft als ‚Mittelschichtsgesellschaft‘. Dieses Selbstverständnis fand seinen Ausdruck ebenso in literarischen Texten und in der öffentlichen Diskussion um Literatur, die in jüngster Zeit auch die Vorstellung von einer ‚Neuen Mittelklasse‘ aufnahm und am Beispiel jüngerer Titel (u. a. Sophie Passmann, Leif Randt) fortschrieb. Daneben hat sich inzwischen eine soziologisch interessierte Gegenwartsliteratur herausgebildet, die den Blick auf soziale Ungleichheiten richtet. Aus dieser Perspektive hinterfragen einzelne Texte nicht nur den tradierten Mythos von der bundesrepublikanischen Mittelstandsgesellschaft, sondern setzen zugleich Kontrapunkte zur Erzählung von einer homogenen neuen Mittel- und Kreativklasse. Inwieweit diese Begriffe sich für die Analyse unterschiedlicher Erzähltexte eignen, wie Literatur die toten Winkel kulturalisierender Gesellschaftsbetrachtungen ausleuchtet und welche Erkenntnispotenziale sich aus dem Spannungsfeld zwischen literarischer und soziologischer Zeitdiagnostik ergeben, soll im Seminar nach einer Einführung in die soziologische Debatte an verschiedenen gegenwartsliterarischen Texten bzw. Textauszügen (Anke Stelling, Leif Randt, Deniz Ohde, David Wagner, Sophie Passmann u. a.) diskutiert werden.
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Immer mehr Wissenschaftler:innen bestätigen die These, dass wir in einem neuen geologischen Zeitalter leben. Es wird das Anthropozän genannt. Der Name soll zum Ausdruck bringen, dass „die Menschheit“ zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Doch wer ist eigentlich mit Menschheit gemeint? Wann hat es angefangen? Und warum? Zwei Autorinnen, die sich sehr früh mit diesen Fragen beschäftigt haben, sind Ursula K. Le Guin und Octavia E. Butler. Statt in der „Menschheit“ allgemein, finden sie die Gründe der Umweltveränderungen in kapitalistischen Gesellschaftsformationen. In ihrer Literatur beschreiben sie das, was Jason E. Moore und Elmar Altvater das Kapitalozän genannt haben.
In diesem zweiteiligen Workshop lesen wir gemeinsam Ursula K. Le Guins Novelle The Word for World is Forest und Octavia E. Butlers Roman The Parable of the Sower. Diese zwei Romane sind in der Realität verankert, aber benutzen die Mittel der Science Fiction, um das Verhältnis des Menschen zur Umwelt zu hinterfragen. Beide Werke demonstrieren prominent, dass die Welt, in der wir leben, von Kolonialismus und Rassismus durchdrungen ist. Sie wagen aber auch eine Neuaufstellung des Menschen in der (Um)Welt, die laut Butler und Le Guin nur unter Einbezug der bestehenden Unterdrückungsmechanismen erfolgen kann. Sie widmen sich außerdem der Frage, was wir mit der Diagnose des Kapitalozäns anfangen sollen. Was kommt danach? Die zwei hochaktuellen Texte wurden vor Kurzem von diversen Künstler:innen neu entdeckt und visuell und textuell überarbeitet. Auch die vielen Neuinterpretationen werden Teil des Workshops sein.
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Capitalism, as Walter Benjamin has once put it, relies on the idea of a “progression through a homogenous, empty time”. He suggests that it is our very understanding and affective relation to a progressive, continuous, and linear notion of time that solidifies and reproduces it. Since its advent, queer theory has asked how heteronormativity relies on linear notions of time and how they enforce normative configurations of the family, which are crucial for capitalist relations of (re)production. How can alternative relations to past, present, and future unsettle such progressive temporalities and what Lee Edelman has called “reproductive futurism”? Inspired by and in conversation with this heterogeneous body of critical literature, temporality has become a key object of inquiry in queer theory. While the impetus of queering linear and progressive notions of time is shared, different approaches have emerged that disagree on the question of the (im)possibility of claiming futurity and utopia for queer purposes. In this seminar, we will navigate through these different approaches to queer time by reading canonical texts in queer theory by José Esteban Muñoz, Lee Edelman, Lauren Berlant, and Ann Cvetkovich, among others. Key to our seminar will also be the question of the archive. While authorized archives and hegemonic historiography erases sexual deviancy or casts it in pathological and violent terms, “queer archives” are imagined as sites to build affective relations to what has been lost and oppressed, but also attending to potentials and openings that emerge in the interstices of hegemonic histories. We will be thinking through what it means to assemble records of the past as “archives”, what desires and politics structure and unsettle them, and how they can inspire queer futures.
Seminar in English
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Simone Weil gehört zu den facettenreichsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Als eine der ersten Frauen studierte sie in den 1920er Jahren Philosophie an der prestigeträchtigen Pariser École Normale Supérieure. Neben dem Studium und später als Philosophielehrerin engagierte sie sich in der französischen Arbeiter*innenbewegung, war kurzzeitig Hilfsarbeiterin in Metallfabriken und kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg. Mit ihrer Familie floh sie später ins südfranzösische Exil und schloss sich der Résistance an. Vor knapp achtzig Jahren starb Weil im Alter von 34 Jahren im englischen Ashford.
Während Weils Exilwerk in jüngerer Zeit neu entdeckt wird, erfährt die Phase ihres kurzen Lebens, in der ihre militante politische Haltung Form annahm, deutlich weniger Aufmerksamkeit: Bevor sie Fabrikarbeiterin wurde, war Weil aktives Mitglied von Frankreichs revolutionärer Gewerkschaftsbewegung. Im Sommer 1932 reiste sie nach Berlin, um sich vor Ort ein Bild von Deutschlands einflussreicher Arbeiter*innenbewegung und deren Kampf gegen den Faschismus zu verschaffen.
Das Seminar beleuchtet diese Phase von Weils Werk. Diskutiert werden Texte, in denen es um gewerkschaftliche und antifaschistische Kämpfe geht, und die häufig einen aktivistischen Impetus haben. Die Texte behandeln Fragen, die auch heute kontrovers diskutiert werden, etwa wie sich in Krisenzeiten internationale Allianzen zwischen Bevölkerungsgruppen schmieden lassen, die sich gegen Unterdrückung, Entrechtung und Marginalisierung zur Wehr setzen.
Texte in deutscher Übersetzung und die französischen Originale werden vorab als Pdf-Dateien zur Verfügung gestellt.
Elena Stingl ist Doktorandin an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien der Freien Universität Berlin. In ihrer Doktorarbeit geht es um Texte über französische und deutsche Arbeiter*innenkämpfe der frühen 1930er Jahre.
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Die Rassismuskritik hat in Deutschland in den letzten Jahren deutlich Aufwind bekommen. Kämpfe Geflüchteter, migrantischer Widerstand gegen rassistischen Terror und die Proteste um Black Lives Matter haben das Thema Rassismus nach Jahrzehnten des Schweigens endlich auf die Agenda gebracht. Gleichzeitig haben Konzepte wie struktureller und alltäglicher Rassismus, weiße Privilegien, kulturelle Aneignung oder Mikro-Aggression Eingang in die mediale Diskussion erhalten.
Weitgehend unsichtbar bleibt in der öffentlichen Debatte um Rassismus aber die Dimension der Klasse. Das ist umso erstaunlicher, da spätestens mit dem Erfolg von Autor:innen wie Didier Eribon oder Annie Erneaux nicht nur die Klassenfrage auf die politische Bühne zurückgekehrte, sondern auch eine reiche Tradition rassismuskritischer Ansätze existiert, für welche die Analyse von Klassenverhältnissen zentral ist.
Genau diesen Ansätzen widmet sich das Seminar. Anhand von Texten von Stuart Hall, Theodore Allen, Manuela Bojadžijev, Asad Haider und anderen wollen wir theoretisch, historisch und in Bezug auf die Gegenwart nachvollziehen, wie Rassismus und Klassenunterschiede zusammenhängen: Was hat Rassismus mit dem Bedarf des Kapitals nach mobiler und leicht auszubeutender Arbeitskraft zu tun? Welche Rolle spielten Klassenunterschiede für die Erfindung der „weißen Rasse“ im kolonialen Amerika oder für das Regime der Gastarbeit in der BRD? Wie trägt Rassismus dazu bei, die Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte in der Pflege, Fleischindustrie oder Landwirtschaft zu legitimieren?
Statt die fruchtlose Scheindebatte fortzusetzen, ob statt Antirassismus wieder Klassenpolitik auf die Agenda muss, wollen wir kritische Rassismusanalysen (wieder)entdecken, die Rassismus und Klasse in ihren wechselseitigen Bezügen ins Zentrum rücken und so Antirassismus als Klassenpolitik zu konzipieren helfen.
Pablo Dominguez Andersen kommt aus Köln und lebt in Berlin. Als promovierter Kulturhistoriker und freier Autor forscht, schreibt und spricht er seit über 15 Jahren zu (Pop-)Kultur, Theorie und Politik. Ein Fokus seiner Arbeit liegt dabei auf der Geschichte und Gegenwart von Rassismus und Kulturen migrantischen Widerstands. Seine Essays und Kritiken erscheinen u.a. in der TAZ und bei Jacobin.
- Termine: 04.02. und 11.02.2023 jeweils 10:00–15:00 Uhr.
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Das Seminar findet als Präsenzveranstaltung statt. Für die Teilnahme an jeder Sitzung gelten unsere Besucher*inneninformationen.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
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Nach Bekanntwerden der NSU-Morde haben antirassistische und migrantische Initiativen verstärkt auf die Verleugnung struktureller rassistischer Gewalt hingewiesen und die Aberkennung von Trauer und Verlust verurteilt, die die Betroffenen erfahren. Diese Initiativen haben politische Archive affektiven Gedenkens und alternativer Aufklärung gegründet, die sich gegen strukturelle Opfer-Täter-Umkehrungen und die Entwirklichungen von Trauer und Verlust wenden. Diese Archive werfen die Frage auf, wie der Nexus von Affekt-Wissen-Archiv angesichts der Kontinuität struktureller Rassismen erinnerungspolitisch neu ausgehandelt werden kann. Mit der Hilfe von Autor*innen wie Saidiya Hartman, Christina Sharpe, Judith Butler oder Stefano Harney & Fred Moten geht das Seminar den »archives of feelings« (Cvetkovich) nach, in denen die Traumaerfahrungen rassifizierter und minorisierter Menschen gespeichert und die Begriffe des Politischen neu ausgehandelt werden.
Es soll diskutiert werden, wie der Wissens- und Sinnabbruch, der durch rassistische Gewaltgeschichte hervorgerufen wird, gleichzeitig den prekären Ausgangspunkt einer Reparation darstellt, die am Ort der Verletzung selbst operiert. Das Seminar soll herausarbeiten, wie solch ein der rassistischen Gewalterfahrung abgerungenes Affekt-Wissen eine paradoxe Grenzfigur bildet, in der der Zusammenhang von Gewalt, Entrechtung, Trauer und Verleugnung zugleich (intellektuell) begriffen und (affektiv) empfunden wird. Entlang rassismuskritischer Affekttheorien, queer-feministischer Ansätze sowie De/Postcolonial und Black Studies verhandelt das Seminar den affektiven Modus, mit dem in den Zonen rassistischer Gewalt und gesellschaftlicher Verwundung flüchtige Formen von Gedächtnis, Sozialität und Wissen produziert werden, die andere Weisen zu fühlen und zu erinnern einführen. Affekttheoretische Auseinandersetzungen um Trauer und Trauma sollen mit erinnerungspolitischen Reflexionen verknüpft und in eine reparative Perspektive überführt werden, die das Zusammenspiel zwischen der Enteignung von Erinnerung und Trauer auf der einen Seite sowie der Prekarität eines affektiven Wissens auf der anderen Seite herausstellt.
Wie können Formen von »Nicht-Archiven«, die flüchtig, eigensinnig oder traurig sind, in die Vergangenheit eingreifen und gleichzeitig auf die Zukunft ausgerichtet sein und ein »otherwise of sense«, ein »otherwise of memory« artikulieren? Wie kann eine Politik der Erinnerung im Kontext rassistischer Gewalt das Trauma auf sich nehmen und »weniger« als Erinnerung werden?
- Termine: 10.02. und 17.02.2023 jeweils 10:00–15:00 Uhr.
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Das Seminar findet als Präsenzveranstaltung statt. Für die Teilnahme an jeder Sitzung gelten unsere Besucher*inneninformationen.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
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Gemeinschaft ist vielleicht der politische Begriff der Stunde. Er taucht nicht nur in den Selbst- und Fremdbeschreibungen von rassifizierten, diasporischen, religiösen und nicht-heteronormativen ›Communities‹ sowie von Subkulturen und Fangemeinden auf. Ebenso findet er sich in der etablierten politischen Rhetorik. Figuren wie Sarah Wagenknecht bringen den »Gemeinsinn« gegen »Lifestyle-Linke« in Stellung. Aber wo liegt dieser Sinn, der als Leitbild kollektiven Lebens dient? Und wie kann er eine Form annehmen, die kein Fundament exklusiver Nationalismen bildet?
In diesem Seminar möchten wir die Produktion kollektiver Identitäten auf ihre impliziten und expliziten Voraussetzungen befragen. Entgegen einer sozialwissenschaftlichen Denktradition, die den Gemeinschaftsbegriff demjenigen der Gesellschaft gegenübergestellt und eine Entwicklungslinie von organischen Einheiten und traditionellen Kollektivierungsformen zum anonymen Gesellschaftsvertrag gezeichnet hat, wird das Seminar auf die Suche nach einem Denken der Gemeinschaft gehen, das nicht mit dem totalitären Anspruch auftritt, eine gespaltene Gesellschaft zu einen. Anhand exemplarischer Texte aus der politischen Philosophie und Kulturtheorie untersuchen wir insbesondere die Konstitutionsbedingungen von Gemeinschaftsformen, die sich identitären, völkischen oder universalistischen Vereinnahmungen widersetzen und in einem widerständigen Verhältnis zu hegemonialen Lebensformen stehen. Was macht eine Gemeinschaft oder eine Community aus? Wie und durch wen wird sie begründet? Welche Affektlagen setzt sie voraus? Durch was wird sie vermittelt? Von welcher Art ist der ihr korrespondierende Gemeinsinn? Und welche politischen und ethischen Praktiken sind in sie eingelassen? Diesen und anderen Fragen gehen wir in der Lektüre von Texten von Immanuel Kant, Hannah Arendt, Jacques Rancière, Lauren Berlant, Sara Ahmed, Judith Butler, Silvia Federici und Saidiya Hartman nach.
Jasper Schagerl hat an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Konvergenzen rechtlicher und literarischer Verfahren promoviert. Ab Mai 2023 ist er Postdoc-Stipendiat am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin.
- Termine: Mo. 16-18 Uhr, 08.05, 15.05., 22.05., 05.06.
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
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Unter dem Titel Object Oriented Ontology hat sich im englischsprachigen Raum eine Denkrichtung entwickelt, die die Dinge in den Blick nimmt (aber gibt es überhaupt Dinge?). Sie bezieht sich grob auf Heidegger, europäische und buddhistische Phänomenologie, aber auch auf den spekulativen Realismus.
Timothy Morton prägte hierbei den Begriff der Hyperobjects. Bei dem Begriff geht es um die Anerkennung der Schwierigkeiten, intuitiv mit globalen Realitäten umzugehen. Anders als vielleicht im deutschsprachigen Raum spielt Heidegger in der englisch- und französischsprachigen Akademie eine befreiende und radikal kritische Rolle gegenüber dominanten Denkrichtlinien wie humanistisch rigider Aufklärung oder sprachlich unterreflektiertem Empirismus. Die poetische Dunkelheit der (teils übersetzten) Begriffe macht einen Spielraum für Gespenster und verdrängte Realitäten auf, den die Vertreterinnie der Object Oriented Ontology nutzen.
Im Seminar werden die Hauptpositionen der ooo zusammengefasst, besonderes Interesse gilt aber der Frage nach den Hintergründen und Notwendigkeiten, die das Bedürfnis nach dieser Strömung speisen, und der Frage, welche Rolle Sprache, Übersetzung und Literatur dabei spielen.
Ann Cotten ist Schriftstellerin und Übersetzerin. Zuletzt erschien »Die Anleitungen der Vorfahren«. Am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin schreibt sie an einer Dissertation zu einer materialistischen, nicht nur auf Menschen und Texte beschränkten Poetik.
- Termine: Mo, 12.06. und 19.06., 11–16 Uhr
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de.
Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
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Der französische Philosoph und Soziologe Henri Lefebvre gilt als ein schillernder Vertreter des sogenannten westlichen Marxismus des 20. Jahrhunderts. Er war nicht nur ein wichtiger Impulsgeber der Pariser Studentenrevolte im Mai 1968 und praxisphilosophischer Widersacher seines strukturalistischen Zeitgenossen Louis Althusser. Mit seinen Forschungen zu Stadt und Raum ist er heute zu einem wichtigen Stichwortgeber in der Stadtsoziologie und in sozialen Bewegungen geworden. Im Angesicht aktueller Debatten und urbaner Konflikte – etwa Wohnungsmangel, Bodenspekulation, Verdrängung von Mieter*innen oder die Enteignung von Wohnungsunternehmen – erfreut er sich einer nicht geringen Beliebtheit.
Vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung mit dem Städtebau des Fordismus und einer Beschäftigung mit dem Scheitern der Pariser Kommune formuliert Lefebvre eine Programmatik, die zwischen verschiedenen Raumformen zu unterscheiden weiß. Jede Produktionsweise produziert ihren eigenen Raum und damit ihre eigene Stadt, so ließe sich Lefebvres Impuls auf den Punkt bringen. Sein Denken mündet in dem utopischen Entwurf der Verwirklichung einer umfassenden urbanen Demokratie, wie sie etwa der Vorstellung des viel zitierten »Rechts auf Stadt« zugrunde liegt. Aber was lässt sich heute aus seiner Theorie für die Analyse gegenwärtiger und für die Möglichkeit alternativer Formen der Raumproduktion gewinnen? Inwiefern muss Lefebvres im Angesicht der fordistischen Planstadt entwickelten Theorie vor dem Hintergrund neoliberaler Fragmentierung, Gentrifizierung und Verdrängung angepasst werden? Welche empirischen Beispiele liegen seiner Theorie zugrunde und lässt sich der Slogan »Recht auf Stadt« für die Analyse gegenwärtiger Konflikte fruchtbar machen?
Das Seminar führt in die zentralen Begriffe und Theoreme Lefebvres materialistischer Raumanalytik ein, stellt die Eigenarten seiner Rezeption dar und fragt nach Aktualitätsbezügen.
Philipp Mattern ist Politikwissenschaftler in Berlin.
- Termine: Mittwochs, 28.06., 05.07., 12.07. und 19.07., 16–18 Uhr
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
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Der Holocaust galt lange als »emblematische Gedächtnisikone« (Dan Diner) und Masternarrativ im Forschungsfeld der genozidalen Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts wird in den transnational und interdisziplinär ausgerichteten Memory Studies – ausgehend von der postkolonialen Kritik – verstärkt die Frage konkurrierender Gedächtnisse an Holocaust und kolonialen Genoziden diskutiert, die sich jüngst in heftigen Debatten entladen, die auch als »Historiker*innenstreit 2.0« firmieren. Relativiert die Erinnerung an koloniale Verbrechen den Holocaust? Oder ist es umgekehrt geradezu zwingend, koloniale Genozide stärker in das kollektive (nationale, europäische, globale) Gedächtnis einzubeziehen als bisher?
Im ersten Teil des zweiteiligen Seminars zum Historiker*innenstreit 2.0 lesen wir ausgewählte Texte aus den Feuilletondebatten (Moses, Friedländer, Habermas, u.a.) sowie von Vertreter*innen der internationalen Memory-, Holocaust- und Genocide Studies und fragen nach den Verschiebungen, Chancen und Risiken, die sich durch eine stärkere Einbeziehung postkolonialer und vergleichender Perspektiven in die deutsche Erinnerungspolitik ergeben. Welche Gemeinsamkeiten, Verbindungen und Unterschiede zwischen kolonialer Gewalt und nationalsozialistischer Judenvernichtung werden in der öffentlichen Erinnerung (de)thematisiert? Warum werden beide Gedächtnisse häufig als konkurrierend beschrieben? Warum lösen die damit verbundenen Debatten so viele widerstreitende Gefühle und Reaktionen aus? Und welche Perspektiven eröffnen inklusivere Ansätze, Erinnerung zu fassen wie z.B. das viel diskutierte Konzept der Multidirectional Memories von Michael Rothberg, auf das wiederum Natan Sznaiders jüngste Monographie »Fluchtpunkte der Erinnerung« kritisch reflektierend antwortet? Welche Perspektiven bringen Netzwerke wie »Decolonial Berlin e.V.«, »Erinnerungskonzept Kolonialismus Berlin« (Ibou Diop) oder »Coalition for a Pluralistic Public Disourse« (Max Czollek) ein, welche werden von Wissenschaftler*innen des globalen Südens angestoßen (Anitha Oforiwah Adu-Boahen, Achille Mbembe) und wie wird darauf geantwortet?
Claudia Bruns ist Professorin für »Historische Anthropologie und Geschlechterforschung« am Institut für Kulturwissenschaft sowie der Geschichtswissenschaften der Humboldt Universität zu Berlin. Ihre Schwerpunkte liegen in der Körper- und Sexualitätsgeschichte als Teil einer Kulturgeschichte des Politischen. Ihre Publikationen befassen sich prominent mit männerbündischen Formationen, Antisemitismus und Rassismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie auch mit filmischer Erinnerung an den Holocaust und erinnerungspolitischen Kontroversen der Gegenwart. Postkoloniale und transferanalytische Perspektiven zu integrieren ist ihr dabei besonders wichtig. Vor kurzem hat sie (zusammen mit C. v. Einem u. J. Fubel) eine internationale Ringvorlesung zum Historiker*innenstreit 2.0 unter dem Titel »Becoming vulnerable – ambivalent solidarities« organisiert.
- Termine: 01. September und 08. September, 10-15 Uhr
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Das Projekt ist aus Mitteln der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
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Antisemitismus und Kolonialrassismus, aber auch Holocaust und koloniale Genozide wurden in der Forschung zumeist getrennt voneinander untersucht. Geht man jedoch davon aus, dass die Entstehung des modernen Rassismus ein transnationales Projekt war, das mit der Herausbildung von globalen kolonialen Eroberungs- und Machtstrukturen genauso wie mit der langen Geschichte anti-jüdischer Ressentiments eng verwoben war, dann stellt sich die Frage, ob sich die verschiedenen Rassismen wirklich als getrennte Phänomene betrachten lassen und worin der Gewinn bestehen könnte, über einen bloßen Vergleich hinaus strukturelle Verwobenheiten, Interrelationen und Übersetzungsprozesse in den Blick zu nehmen.
Das Seminar versteht sich als Fortsetzung des ersten Seminars, in dem der Historikerstreit 2.0 rekapituliert wurde, und wendet sich der Frage zu, wie von der hitzigen Debatte aus weitergegangen werden kann. Hierfür sollen im zweiten Teil konkrete historische Beispiele in den Blick genommen werden, etwa die Verflechtungsgeschichten, die sich im Kontext der Versklavungsgeschichte von Roma und Sinti (Anna Reading), der Entstehung der »Blutreinheit« im Spanien der Frühen Neuzeit (Nirenberg, Schüler-Springorum), im Antisemitismus des 19. Jahrhunderts (Vogt, Bruns) oder in kolonialrassistischen Praktiken auftun.
Claudia Bruns ist Professorin für »Historische Anthropologie und Geschlechterforschung« am Institut für Kulturwissenschaft sowie der Geschichtswissenschaften der Humboldt Universität zu Berlin. Ihre Schwerpunkte liegen in der Körper- und Sexualitätsgeschichte als Teil einer Kulturgeschichte des Politischen. Ihre Publikationen befassen sich prominent mit männerbündischen Formationen, Antisemitismus und Rassismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie auch mit filmischer Erinnerung an den Holocaust und erinnerungspolitischen Kontroversen der Gegenwart. Postkoloniale und transferanalytische Perspektiven zu integrieren ist ihr dabei besonders wichtig. Vor kurzem hat sie (zusammen mit C. v. Einem u. J. Fubel) eine internationale Ringvorlesung zum Historiker*innenstreit 2.0 unter dem Titel »Becoming vulnerable – ambivalent solidarities« organisiert.
- Termine: 22. September und 29. September, 10-15 Uhr
- Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
- Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
- Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
- Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der lfb school.
Das Projekt ist aus Mitteln der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
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