Raul Zelik: Sag Ja zum Nein

Statement für die Veranstaltung „Literatur und Krieg“ im Rahmen des Netzwerks Richtige Literatur im Falschen, 1.12.2022

 

Wo man soll sich in einer Debatte positionieren, in der nur noch falsche Argumente Gehör finden? Die Berichterstattung des eigentlich differenzierten Deutschlandfunks ist zur Dauerwerbesendung der Rüstungsindustrie verkommen, immer mehr Grüne entdecken ihr Herz für die Bundeswehr, über Menschenrechtsverletzungen ereifert man sich am entschiedensten, wenn Deutschland nicht verantwortlich ist: Russland, China, Iran … Und umgekehrt: Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung sieht eine dunkle „globalistische“ Verschwörung am Werk, deren Ziel es ist, die deutsch-russische Freundschaft zu sabotieren, hält Putin für einen umsichtigen Staatenlenker, verspottet Menschenrechtsforderungen als Spielfeld woker Identitätspolitik.

 

In diesem kollektiven Irrsinn wird fast jedes richtige Argument von der falschen Seite vereinnahmt. Wer darauf hinweist, dass ein Sieg Putins eine Katastrophe wäre, weil es Russland noch autoritärer machen würde, rührt die Werbetrommel für die NATO, die noch nie ein Problem mit autoritären Regimen hatte. Wer umgekehrt daran erinnert, dass die Unterstützung des Westens für die Ukraine vor allem dem Zweck dient, Russland als Verbündeten Chinas im heraufziehenden großen geopolitischen Konflikt auszuschalten, strickt an Putins Legende, der Westen habe den Krieg in der Ukraine angezettelt.

 

Es ist alles verquer. Obwohl es eigentlich alles andere als kompliziert ist: Weltmarkt und Staatenkonkurrenz sorgen dafür, dass um knapper werdende Einflussgebiete und Rohstoffreserven gerungen wird. Remember 1914. Militärische Mittel schließt hierbei niemand aus, doch für Staaten, die ökonomisch wenig zu melden haben (Russland, Iran, Türkei …), ist der Krieg ein nützliches Instrument, um nicht in den Status der Rohstoffkolonie abzusteigen. Umgekehrt wissen aber auch die wirtschaftlich erfolgreichen Staaten die Klaviatur des Krieges zu spielen, die es ihnen erlaubt, dort zu bleiben, wo sie heute stehen: oben.

 

Was könnten Kritik und Literatur angesichts des Krieges also leisten? Nein, könnten sie sagen. Nein, bei eurem Endgame um die Vorherrschaft spielen wir nicht mit. Weil im Krieg Kapitalismus gegen Kapitalismus durchschnittliche Menschen nichts zu gewinnen haben.