Schlachthaus 5 oder der Kinderkreuzzug

/ 2022

Ich gebe zu, ich muss mit der Gegenwartsliteratur ein wenig schummeln, denn in meiner Aktualitätenliste steht immer wieder dieser Klassiker, ja, muss dieser Klassiker von 1969 stehen: Kurt Vonneguts »Schlachthaus 5 oder der Kinderkreuzzug«. Es ist das Buch zur Stunde, in der wir (wer wir? – ja richtig, kein wir) uns seit über einem Jahr oder schon gar viel länger permanent befinden, und es überrascht nicht, dass sein Verlag es so fein von Gregor Hens neu übersetzen ließ. Ich erlebe es durchaus auch auf leidvolle Weise als literarischen Wiedergänger, aus der Perspektive eines Zeitspastikers erzählt, weil man nur durch seine Augen auf einen Krieg blicken kann, wo es kein Vorher und Nachher mehr gibt. Die Kontrolle über die eigene Lebensgeschichte ist in diesem Rahmen nicht mal mehr als Illusion zu halten. Vonnegut stellt in diesem Buch nicht weniger als die Frage nach dem Unfasslichen der »Wahrheit« angesichts des Krieges, einer Wahrheit der Bombardierung Dresdens 1944, eine Wahrheit des Vietnamkrieges, und er nimmt den telegraphisch-schizophrenen Stil des Planeten Tralfmador zur Hilfe, denn nur mit Außerirdischen ist diese Wahrheit zu erkunden, nur mit der äußersten Fiktion ist dem äußerstem Realen nahezukommen. Vielleicht hat das sogar mit der einfachen Aussage von Literatur als Herzensbildung zu tun. So it goes.

»Dieses Buch ist ein Reinfall« schreibt er »was abzusehen war, denn es wurde von einer Salzsäule geschrieben. Es fängt so an: Hört mal her: Billy Pilgrim hat sich aus dem Lauf der Zeit gelöst. Es endet so: Tschilp-tschilp?« Und das ist doch ein großartiges Versprechen, nicht?

Auf der Liste: Kein Vorwärtsgang