#Rassismuskritik


Shadowrun: Marlene lebt
/ 2019Marlene Dietrich starb 1992 in einem Hotelzimmer – und erwacht nach ihrem Tod in der magischen Cyberpunk-Zukunft des Shadowrun-Erzählkosmos in einem jungen Körper, der wie ihrer aussieht, aber nicht ihrer ist. Offenbar soll sie als neue Attraktion Besucher*innen in ein gigantisches Bordell ziehen, doch sie entkommt auf die Straßen eines futuristisch-dystopischen Dortmunds. »Marlene lebt« ist ein politischer und ideenreicher Roman, der sich jedoch teils in Shadowrun-typischen Doppelverraten und einen unschönen dickenfeindlichen Erzählstrang verstrickt. Meiner Meinung nach sind aber Marlene als Hauptfigur, die antifaschistische Grundhaltung des Romans und die außergewöhnlichen Antagonisten die Lektüre wert: Der Manager der Unterhaltungskette, deren Teil Marlene hätte sein sollen, hat ein japanisches und ein weiß-deutsches Elternteil und ist dank seines neu-rechten Schwiegervaters derart in internalisierten Rassismus verstrickt, dass er seine Mixed-Race-Identität als eine Schwäche interpretiert, die er niemals wird überkommen können. Das Weltbild des Schwiegervaters ist von der neuen Rechten in den USA ebenso inspiriert wie von aktuellen völkischen Ideologien in Deutschland und auf eine eiskalte, zukunftsorientierte Weise faschistoid, die einem nicht so schnell aus dem Kopf geht.
Warum lesen
Besonders der Auftakt, in dem eine vielschichtig gezeichnete historische Figur, die viele Zeitenwenden erlebt hat, sich in eine neue Welt einfindet, ist ein Highlight des Romans. Dieser spiegelt den von Marlene erlebten Faschismus der Vergangenheit in einem gentechnisch optimierten Zukunftsfaschismus.


Elektro Krause
/ 2021Kassy Krause springt 1989 im provinziellen Rheinland als Elektrikerin für ihren Vater ein, nachdem dieser in einem Einsatz traumatisiert wurde. Denn sowohl Vater als auch Tochter sind in der Lage, Geister zu sehen und unter dem Deckmantel eines Handwerkseinsatzes ins Jenseits zu befördern. Kurz vor dem Mauerfall häufen sich die Geistereinsätze, und Kassy kommt rasch einem Muster auf die Schliche: Nazis, die mit Zyankali Suizid begangen haben, übertreten die Schwelle zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten, um zu beenden, was sie begonnen haben: Die unbewältigte Nazivergangenheit der Deutschen soll wieder ihre Gegenwart werden. Doch die afrodeutsche Geisterjägerin Kassy ist nicht allein: Ihre Freundin KaySer, Schrottplatzbesitzerin und Butch-Lesbe, ihr One-Night-Stand Errol, Deutschtürke und Geisteragnostiker, ihr weißer Vater Nobby mit seinem stoischen besten Kumpel Peter und der Kioskbesitzer Costa, im Rollstuhl und mit Zivi, sind die, die zwischen dem (West-)Deutschland, wie wir es kennen, und dem Geisternazireich stehen.
Warum lesen
Eine temporeiche und dabei sehr deutsche Ghostbusters-Geschichte, in der der Schwarzen Autorin Patricia Eckermann das fast Unmögliche gelingt, nämlich rechte Gewalt, Nazierbe und Rassismus sowohl als übernatürlichen Antagonisten aufzubauen als auch als bittere Alltagsrealität ihrer Eighties-Heldin zu zeigen.