Mensch ausser sich

/ 2022

Valère Novarinas Mensch »Ausser sich« ist ein Theatertext, der gleichzeitig wie bei ihm üblich weit darüber hinausgeht oder den Begriff des Theatertextes neu definiert. Ein Langgedicht könnte man auch sagen oder ein ausgeschriebener Raum mit Lücken. Er arbeitet mit Listen, Wiederholungen, Litaneien, vertraut auf die Kraft der Anrufung und die absurdesten ausgedachten Grammatiken und Namen. Man könnte freilich sagen, es melden sich Stimmen zu Wort, die ich sagen, aber hier klingt das so: »Ich war Erdarbeiter bei Hans Städtisch, Rausschmeißer bei Rohling, Club-Retter in Sommerfrisch, Aufspürer in München-Pasing, Gerichtsaufspürer bei den Leuten-Abdrängern«. Prekarisierte Figuren, die eben nicht einfach »ich« sagen können, an den Rand gedrängte, mit den Instanzen - transzendent oder real - Hadernde. Der französische Theaterautor, der mir wie eine Mischung aus Ernst Jandl und Elfriede Jelinek und Jean Dubuffet vorkommt, stellt eine aberwitzige Aufgabe für seinen Übersetzer Leopold von Verschuer dar, der hier mehr zu einem Koliteraten wird. Und man ist erstaunt, wie etwas gleichzeitig derart aus der Zeit gefallen wirken kann und gleichzeitig voll da, einen Raum schaffend, der jenseits narratologischer Üblichkeiten voller Spannung ist. Und es wundert nicht, dass wir darin 1624 fiktive grammatische Zeiten finden, darin »die ferne Gegenwart, das Futur Inaktiv, die Vordermöglichkeit und den Inkonditional, sowie den Verfallsdatal.«

Auf der Liste: Kein Vorwärtsgang