#Neoliberalismus
Scheiblettenkind
/ 2022Mit Ausdrücken wie »Assitusse« wird das Mädchen schon in der Schule von den Kindern aus der Mittelschicht gemobbt und ausgegrenzt. Die Eltern arbeiten und arbeiten, trotzdem reicht das Geld vorn und hinten nicht, in manchen Zeiten nicht einmal fürs Taschengeld. Dazu kommt der soziale Druck der Familie und der Nachbarn. Neben dem Lesen scheint nur Geld eine Möglichkeit zu sein, dem Druck zu entkommen. Früh fängt sie an zu arbeiten. Sie will ins Freibad gehen, hat kein Geld, also arbeitet sie in der Imbissbude und verbreitet überall den Geruch von Frittierfett. Ihre Mitschüler*innen geben beim Kaufen von Pommes entsprechende Kommentare von sich und verziehen die Gesichter. Erst als sie eine Gruppe von Punker*innen kennenlernt, fühlt sie sich dort aufgehoben. Doch auch hier wird klar, dass die anderen aus gut situierten Familien kommen, und in solchen Situationen taucht das Sich-Fremd-Fühlen wieder auf. Das Gefühl der Scham wird sie noch lange begleiten. Sie trotzt all den Widrigkeiten, ist mutig und hat dabei auch ihren Spaß.
Warum lesen?
Mir ist bei diesem Buch noch einmal klar geworden, warum ich Graphic Novels so schätze. Die Kombination von Schrift und Bild erzeugt einen besonderen Sog. Die Vermittlung der Inhalte und der Gefühle, etwa als die Heldin in einer Fabrik stundenlang an der Maschine arbeitet, gelingt großartig.
Wald
/ 2015Marian hat alles verloren – ihre Karriere als Designerin, ihren Freund, ihre Wohnung, ihren Besitz. Jetzt wohnt sie in einer Hütte im Wald, reflektiert ihr Scheitern und versucht von einem Tag auf den anderen zu überleben. Der kleine Haushalt kreist um Wildern, Fischen, Stehlen – und um Franz, ein älterer Mann, der immer wieder auftaucht und sie unterstützt – und sexuell ausbeutet. Obendrein passt ihre Anwesenheit den Dorfbewohnern nicht. Die Ungeheuerlichkeit von Marians Lage kommt scheinbar selbstverständlich daher, ganz ohne Drama. Wie die Knecht da eine Frau in den Abgrund schickt und trotzdem nicht den Humor verliert, ist lehrreich. Frauen, die in der Natur zurechtkommen müssen, stehen vor anderen Herausforderungen als Männer – das lässt sich vom kleinen Häuschen metaphorisch wunderbar auf die große Welt übertragen. Das macht Doris Knecht auf eine äußerst tabulose und spannende Art. mehr
Warum lesen
Spannend und drückend, aber auch hoffnungsvoll. Nebenbei eine große Kritik am Neoliberalismus. Knechts lakonischer Humor trägt eine durch das Buch, das ein großartiges empathisches Angebot ist.