#Magischer Realismus
General Sonne
/ 1955Im, von den Amerikanern besetzten (1915-1934) und von wirtschaftlichen Schwierigkeiten geplagten Haiti, stiehlt Hilarion Hilarius aus Hunger und wird daraufhin verhaftet. Während seines Gefängnisaufenthalts lernt Hilarion Pierre Roumel kennen, einen politischen Gefangenen, der Hilarion in den Marxismus einführt. Nach seiner Entlassung heiratet Hilarion Claire Heureuse. Von den materiellen Bedingungen eingeholt, begibt er sich gemeinsam mit seiner Frau und ihrer Tochter ins Exil in die Dominikanische Republik. Dort versucht er sich durch die Arbeit auf einer Zuckerrohrplantage ein besseres Leben zu verdienen. Aber in der Dominikanischen Republik unter Trujillo sind Schwarze und Arme nicht willkommen… mehr
Mit einer besonderen poetischen Sprache, die von den haitianischen "Märchenerzählern" inspiriert ist, zeichnet Jacques Stéphen Alexis den Lebensweg von Hilarion nach. Jede Beschreibung, jedes Detail, jede Metapher reicht über die Geschichte hinaus und bezieht sich auf historische Fakten, historische Personen oder politische Strömungen des 20. Jahrhunderts. Das Ende des Romans ist meisterhaft und verstörend zugleich und bewahrt dabei trotzdem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Die singenden Bäume
In seinem zweiten Roman geht Alexis zurück ins Haiti der Zeit der amerikanischen Besatzung (1915-1934). Im Zentrum stehen die drei Brüder Diogène, Edgard und Carles Osmin. Während Diogène als katholischer Priester und Edgard als Militär in der Gesellschaft aufsteigen, ist der dritte Bruder, ein Poet, voller Kritik und Ablehnung gegen jene gesellschaftlichen Instanzen und das (bürgerliche) Leben, was diese mit sich bringen. Doch Alexis Aufmerksamkeit gilt nicht der Kritik am bürgerlichen Lebenswandel, vielmehr konzentriert er sich darauf, zu zeigen, wie Militär, Staat und Kirche zusammenwirkten, um die Landbevölkerung unter religiösen Vorwänden zu enteignen und damit den Weg frei für die extensive Kautschukproduktion zu machen. Zugleich geschieht dieser Angriff auf die ruralen Lebensgrundlagen und Glaubensformen nicht ohne Widerstand, angeführt von dem betagten vodou-Priester Bois-d’Orme und Gonaibo, einem Jungen, der von seiner Mutter fern jeglicher sozialen Strukturen aufgezogen wurde und in einer engen Verbindung zur Tier- und Pflanzenwelt steht. In den darauffolgenden Auseinandersetzungen merken Diogène und Edgard erst spät, dass sie in dem Spiel um religiöse Deutungshoheiten und ökonomische Macht nur Spielfiguren sind und, dass die physische und epistemologische Widerstandskraft des ländlichen Raums und ihrer Bewohner:innen größer ist, als erwartet. Trotz und auch dank seiner etwas aus der Zeit gefallenen Sprache (in der Übersetzung) besitzt Alexis Roman eine außergewöhnliche Kraft, kunstvoll, aber nicht reduktionistisch, übt er Kritik an kapitalistischer Interessenpolitik und religiösen Dogmatismus und sucht dabei die Nähe zum Magischen Realismus. mehr
Warum lesen?
Weil Alexis einen materialistischen Blick auf die Zeit der amerikanischen Besatzung Haitis wirft, dabei jedoch nicht in eine nüchterne Analyse verfällt, sondern dem haitianischen Imaginären und seinen Widerstandstraditionen Raum einräumt, damit gewohnte Konstruktionen von Wirklichkeit überschreitet und nach wie vor wirksame Paradigmen von Fortschritt hinterfragt.