Generation Dread – Finding Purpose in an Age of Climate Crisis

/ 2022

Angst, Besorgnis, Trauer, Freude, und alles andere

2017 fingen die kanadische Wissenschaftskommunikatorin Britt Wray und ihr Partner an, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, ob sie ein Kind bekommen wollten. Wray fühlte sich überkommen von ökologischen Sorgen: Würde man diesem Kind ein gutes Leben bieten können? Diese Fragenkonstellation – Kinder bekommen, während unser Ökosystem möglichweise auf den Abgrund zusteuert? – wurde seitdem von unzähligen Magazinen und Feuilletons durchgekaut. Wray hat sie zum Anlass genommen, erst einen regelmäßigen Newsletter und schließlich ein Buch über das Phänomen ganz allgemein zu schreiben: Welche Emotionen und Gefühle fühlen wir im Angesicht dieser Krise? Sind eco-anxiety, Schuld, und Scham die »richtigen« Gefühle für Bürger in den reichen Industrienationen? Wie gehen Menschen mit ambivalenten Gefühlen um, etwas für das Klima tun zu wollen, aber gleichzeitig auch emissionsintensive Luxusgüter zu begehren? Welcher Arten der Trauerarbeit stehen uns zur Verfügung, um den durch Klimawandel verursachten Verlust von Natur und Menschen zu betrauern? Wray gelingt es, die gesamte Bandbreite des affektiven Registers wissenschaftlich fundiert und doch von ihren eigenen Erfahrungen geleitet durchzuarbeiten: Sie erläutert die verschiedenen Schweregrade an eco-anxiety, die die Psychotherapeutin Caroline Hickmann basierend auf klinischen Beobachtungen in den Malediven, den Vereinigen Staaten, Brasilien, Nigerien, Bangladesch, und in Großbritannien entwickelt hat (dabei ganz wichtig: »Das Ziel ist es nicht, Menschen in feinsäuberlich getrennte klinische Schubladen zu stecken, sondern soll sie dabei unterstützen, ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle zu verstehen«). Sie berichtet von ihrem eigenen Vortrag vor einem Haufen skandinavischer Manager von Öl- und Kohlefirmen, der mit minutenlanger Stille beantwortet wird, weil die Manager emotional erst einmal vollkommen überfordert sind. Sie fragt sich sofort, was sie nächstes mal besser tun könnte, damit sich ein dynamischeres Gespräch entwickelt – bis eine Kollegin ihr sagt, dass es vielleicht viel wichtiger wäre, besser darin zu werden, mit Stille und Unbehagen umzugehen, als diese immer zu verhindern.

 

Warum Lesen?

Da der Klimawandel und ökologische Zerstörung Probleme sind, mit denen wir uns für den Rest aller unserer Leben auseinandersetzen müssen, werden wir über kurz oder lang wohl so ziemlich jedes Gefühl mindestens einmal in diesem Kontext fühlen: Freude über kleine oder große Siege; Trauer um das, was bereits verloren ist; immer wiederkehrende Angst um das, was noch passieren könnte; Burnout; Langeweile; manchmal auch Leugnung, um es überhaupt nur durch den Tag zu schaffen. Wray bietet in Generation Dread ein breites Fundament dafür an, über all diese Emotionen nachzudenken. Das gelingt ihr, weil ihre Schreibperspektive nie weniger als verständnisvoll ist, für jegliche Gefühle, die die Menschen im Angesicht des Klimawandels fühlen könnten.

 

Auf der Liste: Klimaangst und Literatur