Eine Formalie in Kiew

/ 2021

»Mir brauch'n jetzt nür nöch eine arneuerde Gebürdsürgünde un eine Abösdille von Ihn'n.« Das sind Frau Kunzes Worte, Sachbearbeiterin auf der Leipziger Ausländerbehörde, bei der sich Dmitrij eingefunden hat, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Statt Residenzpflicht, die seinen Wohnort innerhalb Sachsens festlegt, Freizügigkeit. Statt der zukünftigen Vermieterin den ukrainischen Pass vorzulegen, die sich daraufhin fast belogen fühlt, als ob er sie durch Sprache und Aussehen habe täuschen wollen, einfach das Papier mit dem Bundesadler auf den Tisch legen. Reisen können in fast alle Länder der Welt! Nun, Geburtsurkunde in Übersetzung, Loyalitätserklärung zur deutschen Verfassung, Einkommensnachweis – alles ist für den Einbürgerungsantrag eingereicht. Außer der noch fehlenden Apostille, in Frau Kunzes Erklärung: Die behördliche Bestätigung einer behördlichen Bestätigung der nächsthöheren Behörde. Wo diese erhältlich ist? Nur in der Ukraine.

 

Warum lesen?

Die autobiografische Erzählung ist unglaublich witzig und unterhaltsam und Dmitrij Kapitelman flicht gesellschaftliche und politische Verhältnisse, sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine ein und verbindet alles zusammen mit seiner jüdisch-ukrainisch-deutschen-Familiengeschichte. Ein Buch, das viel zu schnell ausgelesen ist, sich wunderbar zum Vorlesen eignet und die Leser*innen zum Schmunzeln, Ärgern, Kopfschütteln und Nachdenken bringt.

Auf der Liste: Lieblingsbücher – Kritische Literatur muss nicht kompliziert sein!