„Das Meiste in der Welt ist Schwindel, und der ästhetische Schnickschnack schon ganz gewiß“, schrieb Theodor Fontane gegen Ende seines Lebens. „Es kommt auf ganz andre Dinge an, was nur von halbgebildeten Schwabbelmeiers bestritten werden kann, wer ernsthaft in Kunst und Wissenschaft steht, weiß ambesten, daß es mit der Phrase nicht getan ist und daß Haus und Herd, Familie und Vermögen die Dinge sind, um die sich realiter die irdischen Interessen drehen. Und mit diesen Interessen auch das Glück. Denn was nicht interessiert, kann auch nicht glücklich machen.“ An diesem Punkt trifft sich Theodor Fontane nicht nur mit Bertolt Brechts »Dreigroschenoper«-Moral, sondern auch mit dessen Verdikt: „Talent ist Interesse.“ Aber was interessiert uns heute noch an Fontanes Romanen und Reisebeschreibungen, an seinen Briefen und Tagebüchern? Warum werden sie noch immer weltweit übersetzt und nachgedruckt, verfilmt und für Theater und Oper bearbeitet? Aus Anlass von Fontanes 200. Geburtstages versuchen Autorinnen und Autoren, Filmemacher und Fotografen, Musiker und Schauspielstudierende Antworten auf diese Fragen zu finden.
Projektleitung: Holger Teschke
Irrungen und Wirrungen in Kreuzberg
Rund 55 Jahre hat Fontane in Berlin gelebt, aber nur eine einzige seiner zahlreichen Berliner Wohnadressen ist erhalten. Unweit der Krankenhausapotheke, in der er gearbeitet hat, liegt sie in einem Stadtteil Berlins, der zu Fontanes Lebzeiten bebaut wurde und die Dynamik der damaligen Stadtentwicklung spüren lässt. In Kreuzberg lebte Fontane mit seiner Familie als Trockenwohner in neu errichteten Mietshäusern. Schauplätze des Romans »Irrungen, Wirrungen« finden sich in der Nähe und haben ihren Charakter bewahrt. So führt dieser Spaziergang mitten hinein in Fontanes Berlin. „Michael Bienert ist“, so die taz, „der Berliner Handlungsreisende in Sachen Literatur.“