Susanne Theumer „Die Welt, die er hatte nutzen wollen, hatte einen ungeheuren Riß“ (Zeichnungen und u.a. zu Lenz)
Kein anderer Dichter des Sturm und Drangs hat wie J. M. R. Lenz so radikal den Riss erfahren, der durch die Gesellschaft und die Individuen ging. Kein anderer vermochte, weit über die plakative Sozialkritik hinausgehend, sozialpsychologische Zwänge in dieser Art und Weise darzustellen, so dass sie zum Identifikationsobjekt eigener Erfahrungen werden. Im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf habe ich im Rahmen eines Stipendiums das Thema „Lenz“ druckgraphisch und zeichnerisch bearbeitet. Es entstanden mehrteilige großformatige Zeichnungen und eine Folge von elf gleichformatigen Radierungen zum Büchnerschen Text. Diese Grafiken habe ich in einem originalgrafischen Buch zusammengefasst, welches im Sommer 2004 fertiggestellt wurde. In Wiepersdorf lernte ich Inge Stephan kennen, eine der Lenzforscherinnen der ersten Stunde. Sie machte mich mit dem Werk des Dichters vertraut und daraus entstanden tolle Projekte.
Im Jahr 2005 arbeitete ich an einem weiteren Buch. Diesmal beschäftigte ich mich direkt mit Jakob Michael Reinhold Lenz. Zu neun Gedichten ließ ich wieder Radierungen entstehen. Unter dem Titel „An das Herz“ erschien 2005 ein weiteres originalgrafisches Buch mit im Handsatz gefertigten Texten zu originalen Radierungen. Gleichzeitig zeichnete ich mit Kohle und Kreide Serien zu Gedichten und Dramen des Autors.
Im Brecht-Haus zeige ich großformatige Kohle-/Kreide-Zeichnungen zu Lenz´ Gedicht: „Gemälde eines Erschlagenen“ . Durch die sterbenden, stürzenden Figuren ziehen sich Risse, andeutend, dass, egal wie man die Zeichnungen zusammenschieben würde, niemals ein komplettes Ganzes entstehen könnte.
Im März vergangenen Jahres unternahm ich mit Prof. Inge Stephan und Prof. Hans-Gerd Winter eine Exkursion ins Elsass. Auf den Spuren von J.M.R. Lenz wollten wir bestimmten Stationen seiner Suche, seines Weges, auch seines Leidens, folgen und uns dabei über bestimmte mögliche Zusammenhänge, wie der direkten Nähe des NS-Gewaltortes Natzweiler-Struthof zum Oberlinort Waldbach oder der Stadt Emmendingen als letzten unglücklichen Lebensort von Cornelia Goethe, einer engen Vertrauten von Lenz, wie auch einer Stadt mit bis heute unaufgearbeitetem Umgang mit der einheimischen jüdischen Bevölkerung zur Zeit des Nationalsozialismus klar werden. Diese Reise habe ich zeichnend mit Kohle und Kreide begleitet. Den Zeichnungen sind Textauszüge, Zitate und Gedichte beigestellt, die ich u.a. im Stadtmuseum Emmendingen, im Steinbruch und in den Räumen der Gedenkstätte KL Natzweiler-Struthof sowie im Museé Oberlin in Waldbach fand. Das Ganze ist in einer Mappe zusammengefasst, einem Unikat. Auch diese Arbeiten zeige ich im Brecht-Haus - und zwar zum ersten Mal!
Begleitend zu den an den Wänden ausgestellten Arbeiten, präsentiere ich die beiden Lenz-Bücher sowie Mappen, in denen Radierungen zu verschiedenen (besonders jedoch literarischen ) Themen zu sehen sein werden.
Susanne Theumer
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Biografisches
Susanne Theumer
1975 geboren in Halle(Saale)
1989-1993 Abendstudium an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle/Saale
1993 Abitur am IVA in Halle
1993-2002 Studium im Fachbereich Graphik bei Prof. Frank Ruddigkeit und Prof. Thomas Rug an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle/Saale
2002 Diplom
2002-2004 Meisterschülerin
seit 2004 freischaffend tätig in Höhnstedt und Halle