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Muttertochtertexte
© Moira Ricci / LaVeronica Contemporary Art Gallery

29.10.2112.11.21
Seminar

Muttertochtertexte

Seminarleitung Nina Kemper und Elena Stingl
Veranstaltungsort: Literaturforum im Brecht-Haus

Kaum eine menschliche Beziehung ist so komplex wie die zwischen Mutter und Tochter. Denn kaum eine ist so eng. Mütter und Töchter unterstützen und verletzen sich, sehnen sich nach gegenseitiger Nähe und ringen um Abgrenzung. In unserem Seminar diskutieren wir zwei literarische Darstellungen dieser sozialen Beziehung – Elena Ferrantes Lästige Liebe (1992) und Annie Ernaux’ Eine Frau (1987).



Die Erzählerinnen der Texte setzen sich nach der Beerdigung ihrer Mutter mit deren Verschwinden auseinander. Ferrantes Erzählerin begibt sich auf einen schwindelerregenden Trip an die Orte ihrer durch Gewalt und Armut geprägten Kindheit in Neapel. Dort erinnert sie sich an Ängste, die Mutter zu verlieren, an Wünsche, sie zu besitzen, und an ihren Neid auf sie. Auch Ernaux erinnert sich an ihre Mutter, beschreibt sie jedoch distanzierter. Ihre Geschichte wird akribisch erforscht und im Kontext von sozialer Klasse erzählt. Während die Mutter bei Ferrante bedrohlich nah erscheint, schildert Ernaux die Beziehung mit einem soziologischen Blick.

Beide Texte lesen wir als Versuch, die Mutter im Medium der Schrift lebendig zu halten, sie dabei neu zu schreiben und sich vielleicht gerade so von ihr zu lösen. Wir nähern uns ihnen dazu aus psychoanalytischer, feministischer und klassensoziologischer Perspektive. Nicht zuletzt gehen wir der These nach, dass Muttertochtertexte wie die von Ferrante und Ernaux an der Dominanz von Vaterfiguren in Familiengeschichten rütteln, was sie, angesichts von breit rezipierten Vätererzählungen der letzten Jahre (etwa Knausgård, Louis, Baron) und trotz ihrer eigenen Publikumserfolge, noch immer subversiv erscheinen lässt.

Zur Vorbereitung empfehlen wir, beide Texte zu lesen: Lästige Liebe in Karin Kriegers Übersetzung und Eine Frau in Sonja Fincks Übersetzung (beide Suhrkamp). Textausschnitte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt. Nähere Informationen erfolgen nach Anmeldung über campus@lfbrecht.de.

Nina Kemper ist Psychologin und beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit den Geschichten, die wir aus den Leben unserer Eltern erzählen. Sie arbeitet an der Goethe-Universität Frankfurt und absolviert seit einem Jahr die Ausbildung zur Psychoanalytikerin (IPA).

Elena Stingl ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (FU). In ihrer Doktorarbeit geht es um Texte über französische und deutsche Arbeiter:innenkämpfe der frühen 1930er Jahre.

  • Termine: 29. Oktober und 12. November 2021, jeweils 10:30 bis 15:30 Uhr
  • Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de
  • Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
  • Das Seminar findet als Präsenzveranstaltung statt. Für die Teilnahme an jeder Sitzung ist ein aktuelles, negatives Covid-Testergebnis vorzuweisen oder der Nachweis einer Genesung oder vollständigen Impfung. Über das Hygienekonzept wird vor Ort informiert.
  • Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
  • Es handelt sich um ein Seminar mit aufeinander aufbauenden Sitzungen. Das Seminar gehört zum Programm der →lfb school.