

»Lyrische Menschenkunde«
Berühmte Gedichtsammlungen wie Kurt Pinthus' »Menschheitsdämmerung« und Enzensbergers »Museum der modernen Poesie«, die nach hundert, nach sechzig Jahren noch raunend genannt werden, sind solitäre Säulen. Auch umfangreiche zweisprachige Anthologien wie Manfred Peter Heins »Auf der Karte Europas ein Fleck« (1991) und Joachim Sartorius' »Atlas der neuen Poesie« (1995) leuchten im Regal. Jürgen Englers Expedition folgt eher Bernd Jentzschs 1972 erschienener Anthologie »Das Wort Mensch«. Radarseele Engler ortet Gedichte zu Leib und Seele in ihrem organischen Miteinander, Wider- und Wechselspiel zwischen Geburt und Tod in Glückssekunden und Zweifelstunden. Vom »Hohelied Salomo« bis zu Jandls »Scheißmaschine«, Marots »Schönem Brüstchen« bis zu Iwan Golls »Hochöfen des Schmerzes« funken die Funde Befunde des akribischen Sammlers. Geben sie Kunde von Holzauge und Honigohr, Taschenfaust und Herzmagen, geschwollenem Kamm und geplatztem Kragen in seinem so psychosomatischen wie erzpoetischen Kaleidoskop in der »Anderen Bibliothek«.