Lade Veranstaltungen
Deutsch als Literatursprache nach dem Nationalsozialismus
© Wikimedia commons. The 'pagodas' at Orford Ness in 2004

Sa. 17.05.
Blockseminar am Samstag, 17.05.2025, 10:00–17:30

Deutsch als Literatursprache nach dem Nationalsozialismus

Seminarleitung Luisa Banki
Veranstaltungsort: Literaturforum im Brecht-Haus

In einem zuerst 1960 veröffentlichten Essay formulierte der Literaturwissenschaftler George Steiner die These, Folgen der nationalsozialistischen sogenannten Sprachregelungen im Deutschen erkennen zu können: »Etwas von der Lüge und dem Sadismus setzt sich im Mark der Sprache fest.« Ausgehend von Steiners sprachkritischen Reflexionen über das Deutsche als Sprache der Nationalsozialisten und als Literatursprache wollen wir uns anhand von W. G. Sebald und Tomer Gardi mit zwei sehr unterschiedlichen Umgangsweisen mit dem Nachleben des NS in der Sprache der Gegenwartsliteratur beschäftigen.
Sebalds Prosatexte betreiben das Erzählen von Geschichte auf eine betont idiosynkratische Weise und beharren auf der Autonomie der Literatur gegenüber der Geschichtsschreibung. Ihre Gestaltung – die gern melancholisch genannte Grundhaltung, das altertümelnde hypotaktische Schriftdeutsch und die Intermedialität seiner Text-Bild-Gefüge – bietet Anlass, nach dem Umgang mit dem sprachlichen Erbe zu fragen.
Gardis erster deutschsprachiger Roman hingegen ist im titelgebenden »broken german« geschrieben, das die normierte Standardsprache spielerisch unterläuft und dabei zur Infragestellung auch anderer kultureller Normen einlädt. Die »gebrochene« Sprache migrantischer Figuren in Gardis Roman widersetzt sich nationalistischen ebenso wie nationalphilologischen Exklusivitätsansprüchen.
In der gemeinsamen Lektüre und Diskussion von Prosatexten von W. G. Sebald und Tomer Gardi werden wir zwei sehr unterschiedliche Positionen deutscher postnationalsozialistischer Sprachreflexion in den Blick nehmen und nach der Historizität und Kulturalität der Sprache deutscher Gegenwartsliteratur fragen. Was heißt es, das Deutsche als die Sprache der Täter zu bezeichnen? Gibt es eine Sprache der Opfer? Wodurch zeichnen sie sich aus? Gibt es Brüche, Widerstände? Wie lebt der NS in der Sprache fort und wie verhält sich der Versuch der NSDAP, Sprache zu reglementieren, zu gegenwärtigen Versuchen einer Herrwerdung des Sprechens? Was bedeutet es überhaupt, eine Sprache zu beherrschen?

  • Blockseminar am Samstag, den 17. Mai 2025, von 10:00 Uhr – 17:30 Uhr
  • Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
  • Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
  • Das Seminar gehört zum Programm der LfB School.


Dr. Luisa Banki
ist Literaturwissenschaftlerin. Sie forscht und lehrt als Akademische Rätin an der Bergischen Universität Wuppertal und leitete 2020–2024 das DFG-Netzwerk „3G. Positionen der dritten Generation nach Zweitem Weltkrieg und Shoah in Literatur und Künsten der Gegenwart“.