

Im Prosatext „Der Vater“ (1958) begeht Müller literarischen Vatermord und skizziert einen politisch überformten Lebenskonflikt: von der Verhaftung Kurt Müllers 1933, der „ersten Szene meines Theaters“, als der vierjährige Sohn sich schlafend stellt, bis zum Gegenverrat des Vaters, der sich 1951 im Westen niederlässt, „Renten auszahlend an Arbeitermörder“. Das Gedicht Neujahrsbrief 1963 ersetzt nie geschriebene Zeilen, wie ein Nachlass-Fragment offenbart: „Ich bin meinem Vater einen Brief schuldig.“ Nach dem Zusammenbruch der DDR und aller politischen Gewissheiten geistert „das Gespenst meiner Kindheit“ in Prosa, Gedichten und Fragmenten herum, ist Anlass für Neuversuche, Selbstbegegnungen und Nachdenken über die eigene Vaterrolle.